Brutale Razzia in Brasilien: Krieg den Hütten?
Nach dem Blutbad gegen mutmaßliche Drogendealer in Rio de Janeiro unterzeichnet Präsident Lula ein Gesetz für mehr Sicherheit. 2026 stehen Wahlen an.
 
Sie liegen auf einer Plastikplane. Einige tragen Fußballshorts, andere Unterhosen. Alle sind von Kugeln durchlöchert. Um sie herum stehen Menschen, einige machen Fotos. Diese verbreiteten sich schnell um die ganze Welt. Die Leichen wurden von Bewohner*innen eingesammelt und auf einer belebten Straße abgelegt. Es war die Folge eines regelrechten Blutbades, des tödlichsten Polizeieinsatzes in der Geschichte Rio de Janeiros. 132 Menschen starben in den Favelas Complexo do Alemão und Penha.
Bruno Itan, der selbst aus der Favela Complexo do Alemão stammt, dokumentierte als Fotograf den Einsatz und die Leichenberge. „Es war einer der schwierigsten Tage meiner Karriere“, sagt er der taz. Später postete er: „Wir sind mitten im Krieg“.
Am Dienstag führte die Militärpolizei einen Einsatz mit 2.500 Männern, Helikoptern und Panzern durch. Stundenlang kam es zu Schusswechseln, Videos zeigen schwere Feuergefechte zwischen der Polizei und Mitgliedern der Drogengang Comando Vermelho. Solche Einsätze sind nicht unüblich in Rio de Janeiro.
Doch die hohe Opferzahl ist alarmierend. Bei den meisten der Opfer soll es sich um Drogendealer handeln. Darunter seien aber auch Bewohner*innen, die ins Kreuzfeuer gerieten, und vier Polizisten. Laut Zeug*innen sollen einige der Opfer gefoltert worden sein. Bewohner*innen und NGOs sprachen von einem „Massaker“.
Rechte Gewalt als Sicherheitspolitik verkauft
Der rechte Gouverneur Claudio Castro bezeichnete die Operation als „Erfolg“ und sprach von „einem harten Schlag gegen die Kriminalität“. Zugleich warf er der linken Bundesregierung vor, Unterstützung verweigert zu haben. Die Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wies die Anschuldigungen zurück: Es habe keinerlei Hilfsgesuche aus Rio de Janeiro gegeben. Die Sicherheitspolitik liegt in Brasilien in der Zuständigkeit der Bundesstaaten.
Castro hatte sich außerdem gegen eine Gesetzesinitiative gestellt, die die Polizeiarbeit verschiedener Behörden stärker bündeln soll. Befürworter*innen des Modells argumentieren, dass durch das stärkere Eingreifen der deutlich professionelleren Bundespolizei Einsätze weniger gewalttätig ablaufen würden.
Am Mittwoch kündigten Castro und Justizminister Ricardo Lewandowski bei einem gemeinsamen Auftritt eine engere Zusammenarbeit an. Am Donnerstag unterzeichnete Präsident Lula ein Gesetz zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens. 2026 stehen in Brasilien Wahlen an, und Lula möchte unbedingt verhindern, dass das Thema Sicherheit in den Mittelpunkt rückt – denn auf diesem Feld hat die Linke bislang stets gegen rechte Kräfte verloren.
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