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Brückeneinsturz von GenuaEine angekündigte Tragödie

In Italien wird immer weniger für die Instandhaltung der Autobahnen ausgegeben. In Genua wurde schon lange vor der maroden Brücke gewarnt.

Schon vor Jahren wurde vor der maroden Morandi-Brücke in Genua gewarnt, jetzt ist sie eingestürzt Foto: dpa

Die italienische Sprache kennt seit Langem einen festen Begriff, um Unglücke wie den Sturz der Morandi-Brücke in Genua zu beschreiben. Er lautet: „tragedia annunciata“, „angekündigte Tragödie“. Das Bild eines Autobahnviadukts, das 40 Meter in die Tiefe stürzt, mag unfassbar erscheinen. Vor allem, weil dieser Unfall allein bis Redaktionsschluss ungefähr 40 Menschen das Leben kostete. Unvorstellbar war dieses Bild aber nicht gewesen. Anwohner und Experten warnen bereits seit Jahren vor der „Brooklyn-Brücke“, wie sie in Genua genannt wurde.

Es sei ein „Versagen der Ingenieurwissenschaft“, behauptete 2016 Antonio Brencich, Professor für Bauwesen an der Universität Genua. Und schon im Jahr 2012 hatte der damalige Präsident des lokalen Industrieverbandes, Giovanni Calvini, erklärt: „Wenn in zehn Jahren die Morandi-Brücke einstürzen wird und wir stundenlang im Stau stehen, werden wir uns an diejenigen erinnern, die jetzt Nein zur Gronda gesagt haben“.

Die sogenannte Gronda di Ponente ist eine geplante, 72 Kilometer lange Autobahntrasse, die das Morandi-Viadukt entlasten sollte und beispielhaft für einige der Infrastrukturprobleme Italiens steht: die ineffiziente Bürokratie, die überlangen Planungsarbeiten und die großen Widerstände vor Ort.

Über das Projekt ist nach dem Einsturz der Morandi-Brücke erneut ein politischer Streit entflammt. Im Gespräch ist die Trasse seit 1984. Gebaut wurde sie nie. Seit Jahren wird sie von zahlreichen Protesten lokaler Initiativen begleitet, die die in Italien mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung unterstützt. Man sollte das Vorhaben mithilfe „der italienischen Armee“ stoppen, sagte 2014 der Gründer der Bewegung, Beppe Grillo. „Uns wird abwechselnd das Märchen eines bevorstehenden Einsturzes der Morandi-Brücke erzählt“, schrieb ein Jahr zuvor eine No-Gronda-Gruppe auf einer Webseite der Fünf-Sterne-Bewegung.

Ausnahmezustand verhängt

Die italienische Regierung hat nach dem Einsturz der Brücke in Genua einen zwölfmonatigen Ausnahmezustand für die Hafenstadt verhängt. Bei einer Krisensitzung des Ministerrates am Mittwoch sei außerdem eine Soforthilfe von fünf Millionen Euro freigegeben worden, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte.

Umfangreiche Infrastrukturprobleme

Mittlerweile steht die Genehmigung, die Bauarbeiten sollten 2019 beginnen. Vor zwei Wochen hat allerdings der italienische Verkehrsminister, Danilo Toninelli von der Fünf-Sterne-Bewegung, das Projekt auf Eis gelegt und eine neue Kosten-Nutzen-Analyse angeregt, obwohl die Finanzierung bereits steht.

Im April 2018 hat die Europäische Kommission 8,5 Milliarden Euro für Autobahnprojekte in Italien freigegeben. Die Hälfte davon soll ausgerechnet in die Gronda fließen. Die EU taugt also kaum als Sündenbock – auch wenn Innenminister Matteo Salvini die Sparvorgaben aus Brüssel mitverantwortlich für die Katastrophe von Genua macht.

Für die meisten Strecken sind private Betreiber zuständig – auch für Kontrollen von Brücken

Die Tragödie vom Dienstag fördert die Spannungen innerhalb der italienischen Regierung zutage: Auf der einen Seite steht eine Partei – die Lega –, die am liebsten zahlreiche Infrastrukturprojekte durchboxen würde, ohne viel Rücksicht auf Umwelt- und EU-Auflagen zu nehmen. Auf der anderen Seite ist eine Bewegung, die in der Umweltbewegung ihre Wurzeln hat, traditionell gegen Großprojekte zu Felde zieht, weil sie sie als ineffizient ansieht und Korruption und Misswirtschaft wittert und am liebsten mehrere Vorhaben blockieren würde, zum Beispiel die Hochgeschwindigkeits­eisenbahnstrecke zwischen Turin und Lyon.

Die Infrastrukturprobleme Italiens sind allerdings umfangreicher. In den vergangenen fünf Jahren sind zehn Brücken eingestürzt. Die Bausubstanz ist veraltet: Die meisten Brücken und Viadukte wurden zwischen 1955 und 1980 gebaut, schreibt die Tageszeitung La Stampa. Insgesamt seien 300 Brücken und Galerien in Gefahr, warnte ein Experte im Blatt La Repubblica. Eine davon liegt bei Agrigento auf Sizilien und ist seit 2017 gesperrt: Sie wurde von Riccardo Morandi entworfen, demselben Ingenieur, der auch die Genua-Brücke geplant hatte.

Das Problem der Kontrollen

Hinzu kommen die kom­plexen Verwaltungsstrukturen für das Straßenwesen und der Rückgang der Investitionen. Die staatliche Anas ist zuständig für nur rund 1.000 der insgesamt mehr als 7.000 italienischen Autobahnkilometer. Von den restlichen 6.000 Kilometern liegen mehr als zwei Drittel in den Händen zweier privater Investoren: der Gruppen Gavio sowie Atlantia, die Autostrade kontrolliert, also die Betreibergesellschaft der Genua-Strecke.

Obwohl die Mauteinnahmen seit Jahren steigen (plus 21 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro zwischen 2009 und 2016) und Italien die höchsten Autobahngebühren Europas aufweist, sanken laut Corriere della Sera zwischen 2015 und 2016 die Investitionen um 23,9 Prozent und die Instandhaltungsausgaben für das Netz um 7,3 Prozent.

Hinzu kommt das Problem der Kontrollen. Autostrade, die der Benetton-Gruppe gehört und für etwa 3.000 Autobahnkilometer in Italien zuständig ist, kontrolliert sich selbst: Sie ist für die Wartungsarbeiten und deren Überprüfung verantwortlich. Nun plant die Regierung den Entzug der Genehmigung für Autostrade. Innenminister Salvini und Arbeitsminister Di Maio verlangen eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro, während Verkehrsminister Toninelli den Rücktritt der Manager fordert.

Autrostrade erklärte dagegen, das Unternehmen habe sogar zusätzliche Prüfungen vorgenommen und dafür modernste Technologien eingesetzt und externe Experten befragt.

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4 Kommentare

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  • Ich weis nicht wie es den meisten Deutschen bei dieser Geschichte geht, aber mir persönlich kommt das alles sehr bekannt vor.



    Vor allem dann, wenn ich mal wieder mit dem Auto unterwegs bin und ständig an einen Stoßdämpfertest erinnert werde, wenn ich über viele Land und Bundesstraßen fahren muss!

    Zwar ist mir nicht bekannt, dass in Deutschland eine solange Brücke zusammengebrochen sei, aber wundern würde mich das bei dieser Vernachlässigung unserer Infrastruktur auch nicht!

    Es ist doch eine Schande, wenn man immer wieder erzählt bekommt, wie hoch die Gewinne beim Außenhandel sind und wie Reich unser Land ist, aber es schon gefährlich ist, wenn Radfahrer den Radweg nutzen wollen!

    Auch in den öffentlichen Gebäuden sieht es nicht besser aus, wenn man die dunklen Flecken unter den Decken sehr vieler Schulgebäude sieht, an denen die Feuchtigkeit massiv für Schimmelbildung sorgt, in denen dann unsere Kinder Schulunterricht haben, zu dem sie, heute gewogen 28 Kilo Bücher und Utensilien mitschleppen müssen, im wert von über hundert Euro!Ein Tablett wäre schon für weniger Geld zu aben, aber da spielt die Buchdrucker und Verleger Lobby nicht mit, denn deren Profit wird als wichtiger erachtet, als die digitale Ausbildung unserer Jüngsten!

    Sich über Italien zu mockieren ist nicht das, was unsere Politiker nun tun sollten, sondern für Abhilfe im Bereich unserer wichtigen Baustellen wie der Bildung und der Instantsetzung unserer Infrastruktur zu sorgen!!!

    Solange sich die Politik scheut, der Wirtschaft, der Industrie und den Banken, so wie dem Aktienkapital ans Leder, bzw. die Steuern zu gehen, wird es an Kapital mangel, denn nur dort wäre ausreichend Geld einzufordern und nicht bei Otto Normalverbraucher der nun durch die völlig Falsch adressierte Maut noch mehr geschröpft werden soll!

    "Mit mir wird es keine Maut geben", log uns unsere Kanzlerin Frau Angela Merkel bereits 2013 vor, aber wie man sieht, sind Politiker Versprechen nicht das Schwarze unter den Nägeln wert!!!

  • Das Problem geht sehr viel weiter:



    - Gäbe es in Italien die Einrichtung eines vorgeschriebenen Prüfstatikers, dann hätte Morandi die Brücke nie so bauen können. Es war schon mit damaligen Statikkenntnissen klar, dass die Brücke geringe bis keine konstruktive Sicherheiten aufwies. Aber Morandi war halt "nicht gut im rechnen" - das wäre einem Prüfstatiker dann allerdings aufgefallen.



    - Dasselbe bei den regelmässigen Prüfungen: Ich unterstelle Autostrade nicht, dass die geschlampt haben, aber Prüfungen in Eigenverantwortung sind eine andere Sache als Prüfungen durch einen ausgebildeten Sachverständigen, der unabhängig ist.

    • @Martin74:

      Bitte keine Spekulationen zu diesem Thema.

      Alles was man bis jetzt, mit einiger Sicherheit, sagen kann: Die Brücke brach an der konstruktionsbedingt stabilsten Stelle zusammen (Ein Pylon kollabierte; riss anschließend das Brückenbett und den gegenüber liegenden Pylon mit sich).

      Ursache: unbekannt.

      Es kann zum jetzigen Zeitpunkt einfach nichts ausgeschlossen werden; auch ein von ihnen unterstellter Konstruktionsfehler nicht.

      Dennoch: erst muss die Ursache der Katastrophe geklärt werden; erst dann kann man die (hoffentlich) richtigen Schlüsse ziehen.

    • @Martin74:

      Frage: mich interessiert, woher Sie die Information haben, dass Prüfstatiker, sie meinen kompetente und unabhänge Fachleute, die Rechenfehler erkannt hätten.



      Waren die REchnungen von Morandi bekannt und haben andere Fachleute die Mögllichkeit gehabt das Risiko der brücke einzuschätzen? Schon seit jahren?