Britisches Oberhausvotum zum Brexit: Eine Chance zur Problemlösung
Helfen könnte in der festgefahrenen Situation ein Handelsabkommen mit der EU, das die Verrenkungen zu Nordirland teilweise überflüssig macht.
E uropaweit hat das Binnenmarktgesetz, mit dem die britische Regierung ihren internen Handel nach dem Wegfall der relevanten EU-Bestimmungen ab Anfang 2021 neu ordnen will, Empörung ausgelöst. Denn die Londoner Regierung ermächtigt sich damit dazu, Warenkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland auszusetzen, um die Integrität des britischen Binnenmarktes zu wahren. Dies stellt einen Bruch des Brexit-Vertrages zwischen London und Brüssel dar, der die Möglichkeit solcher Kontrollen vorsieht, damit sie zwischen Nordirland und der weiter zur EU gehörenden Republik Irland wegfallen können – jeder Ansatz der Wiedereinführung einer „harten Grenze“ auf der irischen Insel wäre schließlich ein Verstoß gegen das Karfreitagsabkommen, das den Frieden in Nordirland garantiert.
Was die Kritiker vergessen: Jeder Ansatz der Trennung Nordirlands vom Vereinigten Königreich wäre ebenso ein Verstoß gegen das Karfreitagsabkommen. Das macht die heiklen Passagen des Binnenmarktgesetzes nicht besser, unterstreicht allerdings, dass auch das Nordirland-Protokoll im Brexit-Vertrag so manche Probleme mit sich bringt. Als der Vertrag 2019 entstand, wurden diese Probleme beiseitegeschoben. 2020, bei den laufenden Gesprächen über die zukünftigen Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU, müssten sie eigentlich wieder einbezogen werden, um eine Lösung zu finden.
Das Beharren von Boris Johnson auf den strittigen Klauseln seines Binnenmarktgesetzes macht aber eine Lösung praktisch unmöglich. Insofern ist es gut, dass das britische Oberhaus – wo im Vergleich zum Unterhaus die erfahreneren Politiker sitzen – diese Klauseln am Montagabend mit großer Mehrheit gestrichen hat.
Das Unterhaus kann sie zwar wieder einfügen, aber es könnte es auch einfach bleiben lassen. Vielleicht gibt es ja bis Dezember, wenn die Sache wieder auf die Tagesordnung kommt, ein Handelsabkommen mit der EU, das die Verrenkungen zu Nordirland zumindest teilweise überflüssig macht. Sollte das gelingen, wäre das ärgerliche Gesetz doch noch zu etwas nütze gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück