Britisches Oberhaus blockiert Johnson: Keine Mehrheit für Vertragsbruch
Das House of Lords stimmt gegen Klauseln des neuen Binnenmarktgesetzes. Sie würden das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags mit der EU verletzen.
Das Binnenmarktgesetz war am 29. September vom Unterhaus mit 340 zu 256 Stimmen beschlossen worden. Im Unterhaus halten die regierenden Konservativen eine absolute Mehrheit, nicht aber im Oberhaus. Doch da das Unterhaus gewählt ist, das Oberhaus aber nicht, kann das Oberhaus ein vom Unterhaus verabschiedetes Gesetz nicht abschließend blockieren.
Die veränderte Beschlussvorlage geht nun zurück ins Unterhaus. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson kündigte umgehend an, sie werde dort die vom Oberhaus abgelehnten Klauseln erneut einbringen.
Eine erste Abstimmung im Oberhaus über das Gesetz im Oktober war ähnlich klar ausgefallen. Mehrere Abgeordnete argumentierten, das Gesetz würde den Frieden in Nordirland gefährden und dem internationalen Ansehen Großbritanniens in der Welt schaden.
Die Regierung hatte zuvor im Parlament eingestanden, dass die umstrittenen Klauseln einen Vertragsbruch darstellen. Zahlreiche Politiker quer durch alle Parteien hatten daraufhin gefordert, sie zurückziehen – vergeblich.
Die EU leitete nach Verabschiedung des Gesetzesvorhabens im Unterhaus ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien ein, das London aber bislang ignoriert. Das Brexit-Abkommen sieht vor, dass Unstimmigkeiten und Details in Bezug auf Nordirland von beiden Parteien gemeinsam geklärt werden müssen. Die britische Regierung sieht darin eine Verletzung der britischen Souveränität.
Das Gesetz soll unter anderem Sonderregeln für Nordirland im Brexit-Abkommen aussetzen, die Kontrollen im Warenverkehr zwischen Nordirland und Großbritannien vorsehen, damit sie nicht an der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland durchgeführt werden müssen.
Johnson spricht von einem notwendigen „Sicherheitsnetz“, das die Integrität des Vereinigten Königreiches schützen soll. Kritiker warnen hingegen vor einem möglichen Bruch des Karfreitagsabkommens, sollte das Gesetz die Wiedereinführung von Kontrollen an der inneririschen Grenze zur Folge haben, was die britische Regierung allerdings ausgeschlossen hat.
Die Wiedervorlage des Gesetzentwurfs im Unterhaus wird nicht vor Dezember erwartet. Beobachter halten es für möglich, dass es gar nicht mehr dazu kommt, sollte bis dahin ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU stehen, das die derzeitigen Regelungen und den aktuellen Streit ohnehin überflüssig machen könnte. Die Verhandlungen über einen Handelsvertrag für die Zeit ab Anfang 2021, wenn die geltende Brexit-Übergangsfrist ausläuft, befinden sich derzeit in der entscheidenden Phase.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben