Britischer Shooting Star Griff: Heidenspaß am Upcycling
Sarah Faith Griffiths, kurz Griff, war schon mit Dua Lipa, Ed Sheeran und Taylor Swift auf Tour. Jetzt ist ihr Debütalbum „Vertigo“ erschienen.
Musiker*innen der Generation Z haben älteren Popstars einiges voraus – vor allem dank der Inszenierungsmöglichkeiten im Internet. Sie können dort recht unkompliziert ihre Lieder zugänglich machen oder mit geringem Aufwand an ihren Songschreiber*innenqualitäten feilen.
Die britische Künstlerin Sarah Faith Griffiths, die sich als Sängerin einfach Griff nennt, nutzte schon als Teenagerin ein Youtube-Tutorial, um in ihrem Zimmer in der englischen Provinz ihr Know-how als Produzentin auszubauen. Vor ihren Mitschüler*innen hielt sie das allerdings geheim. Aus Angst vor dem Scheitern.
Gewiss scheint diese Sorge aus heutiger Sicht völlig unberechtigt zu sein. Die 23-Jährige hat vor 2019 einen Plattenvertrag unterschrieben und seither drei EPs veröffentlicht. Der Hype um sie wuchs, nachdem sie 2021 den „Rising Star“-Talentpreis bei den Brit Awards gewonnen hatte. Danach tourte die Tochter einer Chinesin und eines Jamaikaners mit Dua Lipa, Ed Sheeran und Taylor Swift.
Der nächste Schritt: die Veröffentlichung ihres Debütalbums „Vertigo“. Dieses Werk muss nun eine Antwort auf diese Frage geben: Steht hier wirklich der nächste britische Superstar in den Startlöchern?
Sagen wir so: Einer Adele wird Griff sicher nicht den Rang ablaufen, doch sie hat ohne Zweifel Potenzial. Ihre elektronisch grundierten Popsongs, mit denen sie sich musikalisch irgendwo zwischen Lorde und Charli XCX einpendelt, behandeln erwartbare Themen wie das Erwachsenwerden oder den ersten Liebeskummer.
Ein Song über ein Abhängigkeitsverhältnis
„Anything“ erzählt von einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Griff singt über eine Liebelei aus Sicht derjenigen, die absolut alles für ihren Geliebten getan hätte. Er hatte quasi die Allmacht über sie: „I woulda done anything you wanted / Oh, you could have told me to crawl down til my head’s underground.“ Üppige Synthesizer wandeln zusammen mit einem bombastischen Schlagzeug auf den Spuren von 80er-Jahre-Schmelz.
Als Gast für „Astronaut“ hat die Sängerin die Heulboje Chris Martin gewonnen. Entwarnung, er spielt nur Klavier und die Verpflichtung war vermutlich gar nicht so schwer, weil Griff schon bei Coldplay im Vorprogramm gespielt hat. Aus dieser Zusammenarbeit entspinnt sich eine berührende Ballade. Griff bekennt, wie schwer sich ein Ich damit tut, dass ihr Ex mehr Freiraum braucht – und nicht sie: „So go and reinvent yourself in a whole other person / But I know you better than anyone you’ll ever know.“
In „Cycles“ lebt Griff ihre Trauer über eine gescheiterte Beziehung auf dem Dancefloor aus. „I’ll be honest“, singt sie, „It would be much easier if there could be a way / If you could set me free to find love in another place“. Wie locker die Musikerin tanzbare Beats aus dem Ärmel schüttelt, belegt auch „Miss me too“. Mit diesem Track hält Griff Innenschau. Mehr noch: Sie findet wieder zurück zu sich selbst.
Sie verblüfft ihre Fans mit selbst geschneiderten Outfits
In „Everlasting“ bricht schließlich eine Erzählung über die Tochter von Emigrant*innen aus ihr hervor. Unüberhörbar ist die Sorge, dass die Wünsche ihrer Generation genauso zerbrechen könnten wie die Träume ihrer Eltern: „I get scared that we’ll end up like them.“ Diese Midtempo-Nummer, die ins Sphärische entrückt, trägt einen durch eine nachdenkliche Stimmung hindurch. Aber nicht nur wegen solcher Songs bleibt Griff im Gedächtnis. Häufig verblüfft sie ihre Fans mit selbst geschneiderten Bühnenoutfits.
Sie hat einen Heidenspaß am Upcycling und kreiert gern aus alten Kleidungsstücken etwas Neues. Ebenso wenig verhehlt sie ihre Lust auf ungewöhnliche Frisuren, etwa ihren charakteristischen Ball-Zopf. Klar kann man dahinter ein ausgeklügeltes Marketingkonzept wittern. Doch die Bandbreite ihrer Lieder und die Arrangements zeigen: Griff ist weit mehr als ein Modepüppchen.
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