Britische Klimawahrheiten: „Kälte ist doch schlimmer als Hitze“
Der britische Umweltminister Owen Paterson hat nichts gegen den Klimawandel. Aber er mag sowieso keine Wissenschaftler.
DUBLIN taz | Man dürfe den Klimawandel nicht nur negativ sehen: Schließlich würden dann weniger Menschen den Kältetod sterben, und bestimmte Lebensmittel könnte man viel weiter nördlich anbauen. Das findet jedenfalls Owen Paterson, der seit 2012 als britischer Minister für Umwelt, Ernährung und ländlichen Raum für die Bekämpfung des Klimawandels zuständig ist.
„Die Menschen reagieren sehr emotional auf dieses Thema“, sagte er am Sonntag auf einer Rahmenveranstaltung des Tory-Parteitags in Manchester. „Dabei sollten wir einfach akzeptieren, dass sich das Klima seit Jahrhunderten verändert.“ Zum Glück gingen die neuesten Untersuchungen nur von einem bescheidenen Temperaturanstieg aus, fügte er hinzu: „Sie reden von ein bis zweieinhalb Grad. Für Menschen stellt die Kälte im Winter eine viel größere Todesgefahr als die Hitze im Sommer dar. Im Laufe der Zeit kann man sich daran gewöhnen.“
Paterson reagierte mit seinen Äußerungen auf den jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC, der in der vergangenen Woche vor den dramatischen Folgen der erwarteten Erwärmung – darunter steigender Meeresspiegel, Hitzewellen und Dürren – gewarnt und die Politik zum Handeln aufgerufen hatte. Der britische Umweltminister war schon zuvor mit Äußerungen aufgefallen, die den Klimawandel verharmlosen oder in Frage stellen.
Zudem ist Paterson vehementer Befürworter genetisch modifizierter Lebensmittel. Selbst einigen Parteikollegen geht sein Einsatz zu weit. „Jeder nur halbwegs ehrliche Verfechter von GM mit etwas wissenschaftlichem Hintergrund würde bei Patersons Reden erröten“, sagte der Tory-Abgeordnete Zac Goldsmith.
Was Paterson von Wissenschaftlern hält, machte sein Berater Professor Ian Boyd deutlich. Wissenschaftler sollten die Stimme der Vernunft sein, und nicht des Widerspruchs, schrieb er in einem Online-Journal: „Wenn ein Wissenschaftler sich frei äußert, bringt er sich in Konflikt mit den Politikern.“ Und das führe zu „einem chronischen tiefen Misstrauen gegenüber Wissenschaftlern“.
Deshalb müssen sie es vermeiden, politische Entscheidungen als falsch oder richtig zu bezeichnen. „Wenn sie sich unbedingt äußern müssen“, meint Boyd, „sollten sie das durch eingebettete Berater tun. Zum Beispiel durch mich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner