Brennende Autos vor Gefängnissen: Schon längst ein Politikum
Ein unechtes Bekennerschreiben und viel Spekulation: Die Serie brennender Autos vor Berlins Gefängnissen beschäftigt inzwischen auch Kai Wegner.
K lingen so Linksradikale? „Wir fordern Transparenz, Verantwortungsbewusstsein und eine lückenlose Aufklärung der Missstände in den Justizvollzugsanstalten“, heißt es in einem vermeintlichen Bekennerschreiben zu brennenden Autos vor Berliner Gefängnissen. Die Möchtegern-Brandstifter drohen darin außerdem: „Wir werden weiterhin gezielt Fahrzeuge der Beamten angreifen, bis die Behörden unsere Forderungen ernst nehmen.“
Ganz schön unterwürfig. Autos anzünden, damit Vater Staat einen ernst nimmt? Randale für „Verantwortungsbewusstsein“ in den Knästen? Das Schreiben, das am vergangenen Samstag bei Indymedia veröffentlicht wurde, sorgte trotz seines eher fragwürdigen Tonfalls für Aufsehen. Schließlich brennen seit Monaten immer wieder Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe von Gefängnissen in Berlin und Brandenburg: Plötzensee, Tegel, Moabit, Heidering.
Wer dahintersteckt, ist unklar. Das „Bekennerschreiben“ ist aber nicht des Rätsels Lösung: Wenig überraschend kam die Polizei am Dienstagabend zu der Erkenntnis, dass es nicht authentisch ist. Der Staatsschutz, zuständig für politisch motivierte Kriminalität und Terrorismus, sieht bei der Brandserie keine Anhaltspunkte für politische Motive. Und doch ist sie schon längst ein Politikum, denn ihr Ziel sind offensichtlich die Privatautos der Gefängnismitarbeiter*innen.
„Mir reicht es“, sagte Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) am Mittwoch. „Es geht hier um den Schutz meiner Kolleginnen und Kollegen, die sich tagtäglich mit viel Leidenschaft für unsere Sicherheit einsetzen.“ Ihr Chef Kai Wegner (ebenfalls CDU) sprach am Dienstag von „feigen Anschlägen“. Er versicherte den Justizbeamten seine „hohe Wertschätzung“; die Behörden fahndeten „mit Hochdruck“ nach den Tätern.
Mehr Videoüberwachung, mehr Polizeipräsenz
Erst mal sollen jetzt die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Gefängnisse verschärft werden. Badenberg wünscht sich (noch) mehr Polizeipräsenz und (noch) mehr Videoüberwachung. Manche Beschäftigte dürfen inzwischen ihre privaten Autos auch hinter den hohen Mauern und Zäunen der Gefängnisse parken, um sie vor möglichen Anschlägen zu schützen.
Der ausbleibende Ermittlungserfolg befeuert derweil die Spekulationen. So vermutet der Tagesspiegel hinter den Brandstiftungen „Unterstützungsaktionen junger Männer für einsitzende Angehörige aus dem Clan-Milieu“. Möglich. Aber auch realistisch? Immer wieder lagen Mutmaßungen zu Tatmotiven weit daneben. 2016 etwa wurde ein Autobrandstifter in Lichtenberg erwischt, der, wie sich später herausstellte, gar nicht linksradikal war, sondern den Anschlag der linken Szene in die Schuhe schieben wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers