piwik no script img

Brennelementefabrik ohne RussenRosatom soll nicht nach Lingen

Der russische Konzern will bei der Brennstäbe-Produktion in Niedersachsen mitmischen. Umweltschützer fordern den Abbruch des Genehmigungsverfahrens.

Bereits im Oktober 2022 protestierten Atomkraftgegner gegen Geschäfte mit Rosatom und russischem Uran Foto: David Inderlied/picture alliance

Berlin taz | Das laufende Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen muss abgebrochen werden. Das forderten Anti-Atom-Initiativen am Mittwoch in Hannover. Die Lingener Fabrik „Advanced Nuclear Fuels“ (ANF) ist, ebenso wie die Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, vom deutschen Atomausstieg ausgeklammert.

Der Betreiber der Lingener Anlage, der französische Atomkonzern Framatome, will dort in Lizenz und unter Mitwirkung des russischen Staatsunternehmens Rosatom künftig auch Brennelemente für Reaktoren russischer Bauart produzieren. Framatome hat dazu mit der Rosatom-Tochter TVEL ein Joint Venture in Frankreich gegründet. Die seit Anfang Januar vom niedersächsischen Umweltministerium ausgelegten Antragsunterlagen für den Ausbau verschweigen nach Angaben der Kritiker allerdings die brisante Rolle des russischen Unternehmens bei dem Vorhaben.

„Ein Einstieg Russlands in die Brennelemente-Produktion in Lingen ist absolut inakzeptabel“, sagte Alexander Vent vom Bündnis Atomkraftgegner im Emsland (AgiEL). Mitarbeitende von Rosatom könnten sogar in Lingen selbst tätig werden: „Es drohen Spionage und Sabotage, und das in einer Atomfabrik.“ In den ausgelegten Unterlagen fehle jede Information, um diese Gefahren für die Öffentlichkeit und de Sicherheit Deutschlands zu bewerten. Unter diesen Bedingungen müsse das Genehmigungsverfahren abgebrochen werden.

Julian Bothe von der bundesweiten Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt bezeichnete Rosatom als den „Elefanten im Raum, über den keiner spricht“. Nur wenn alle sicherheitsrelevanten Informationen für alle Interessierten zugänglich auf dem Tisch lägen, sei eine ernsthafte Diskussion über die Ausbaupläne möglich. Aus Sicht von Vladimir Slivyak, Co-Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense und Träger des Alternativen Nobelpreises 2021, ist Rosatom „die rechte Hand des Kreml und versucht mit jeder Handlung, den Einfluss Putins zu vergrößern“.

Um ihren Forderungen weiteres Gehör zu verschaffen, haben Umwelt- und Anti-Atom-Initiativen eine weitere Demonstration in Lingen angekündigt. Sie soll an diesem Samstag vor dem Tor der Brennelementefabrik beginnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Wer hat uns verraten: Sozialdemokraten. Weil schien mir integer, während Schröder zu Putin auswandern sollte.

  • Ist der Kontakt zur französichen Regierung jetzt komplett abgebrochen?



    Wird da von den Behörden nichts mehr hinsichtlich der Russland-Sanktionen geprüft?

  • Demonstrieren schön und gut, aber läuft schon ein Einspruch?

    www.umwelt.nieders...tion-bfl-8451.html

  • Wir werden die Urananreicherung in Lingen noch brauchen, falls Trump US-Präsident wird und es keine nukleare Teilhabe mehr geben sollte. Weder wird Frankreich Paris für Berlin opfern, noch Grossbritannien London.



    Was russische Zusicherungen wert sind, haben wir seit 1994 gleich mehrmals gesehen.

    • @Carsten S.:

      Mal angenommen, wir würden aus dem Atomwaffensperrvertrag aussteigen, weil die NATO zerfällt, wir könnten noch etwas Uran zum Anreichern aus den Gruben der Wismut holen und bekommen ein paar Sprengköpfe gebaut. Wo soll das getestet werden, wo haben wir die Trägerraketen und wo sollten diese stationiert werden? Für eine wirksame nukleare Abschreckung bräuchten wir aufgrund unserer Lage und Größe eine Zweitschlagkapazität, also mit Interkontinentalraketen bestückte U-Boote.



      Wenn man sich unsere vergammelnde Infrastruktur, die bräsige Beamten-Bürokratie und unwilliges Politpersonal, das an einer wirren Schuldenbremse festhält, dann kann man sich in 50 Jahren nochmal Gedanken darüber machen.

  • "...bezeichnete Rosatom als den „Elefanten im Raum, über den keiner spricht“.



    Worüber keiner spricht ist der deutsche Strombedarf, der z.B. durch E-Autos und Wärmepumpen mutwillig in die Höhe getrieben wird. Da ist der Import von Atomstrom auch aus AKW russischer Bauart, von denen es in Osteuropa einige gibt, durchaus hilfreich...

    • @sollndas:

      "Mutwillig", ja?

      Ein ziemlich entlarvendes Wort für den verfassungsgemäßen Regierungsauftrag des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen für kommende Generationen...

      • @Ajuga:

        Hat die Regierung den "verfassungsgemäßen Auftrag", die Energiewende unbezahlbar zu machen?

  • Es geht um Geld, viel Geld. Diese Priorität hat in Deutschland immer (!) die Nase vorn. Boykottpolitik gegen Putin? Wurscht. Atomausstieg? Ein Schmarrn. Aber wir werden wunderschöne Ausreden der Regierung zu hören bekommen....