Bremer Senat muss Abgeordnete informieren: Auch Rechte haben Rechte
Wutbürger Jan Timke siegt vor dem Bremer Staatsgerichtshof erneut gegen den rot-grünen Senat. Der aber will von einer Stärkung des Parlamentes nichts wissen.
Das Fragerecht der VolksvertreterInnen sei nicht bloß ein Aktenauskunftsrecht, heißt es im Urteil. Es umfasse auch „das persönliche Wissen der handelnden Personen“. Will der Senat nicht antworten, müsse er „substantiiert darlegen“, welche Anstrengungen er unternommen habe und warum diese nicht zum Erfolg führten. Und zwar auch dann, wenn der Fragesteller keiner Fraktion angehört, so wie Jan Timke, der kein Recht hat, große und kleine Anfragen zu stellen.
Im konkreten Fall ging es um eine Frage in der Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft im vergangenen Mai. Timke hatte sich nach der Anzahl und den Motiven von Angriffen auf PolizistInnen, MitarbeiterInnen der Justiz und Verwaltung sowie PolitikerInnen im privaten Wohnumfeld erkundigt. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) antwortete mündlich, dass derartige Vorgänge technisch nicht erfasst würden. Valide Aussagen seien „mit einem vertretbaren Aufwand nicht möglich“. Eine statistische Erfassung lohne nicht, weil es nur wenige Fälle gebe. „Dabei hätte es der Senat nicht bewenden lassen dürfen“, urteilten die VerfassungsrichterInnen. Eine „behauptete schlichte Unmöglichkeit genüge“ nicht.
Zumal der Senat sich gegenüber der Linksfraktion deutlich auskunftsfreudiger zeigt, wie ihm der Staatsgerichtshof vorhält. Als die Linke im vergangenen Juni nach „vollzogenen oder versuchten Suiziden von Geflüchteten“ fragte, hat der Senat das „polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem manuell ausgewertet“ – also genau das getan, was er den Wutbürgern zuvor verwehrt hat.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Staatsgerichtshof auf Betreiben von Jan Timke die Rechte der Parlamentarier stärkt. Schon 2017 entschied er, dass der Senat seiner Informationspflicht nicht nachgekommen war. Der Wutbürger hatte wissen wollen, ob es Absprachen zwischen Senat und dem Bund zur Genehmigung des Offshore-Terminals Bremerhaven gegeben habe. Die knappe Senatsantwort lautete: „Nein.“ Damals verpflichtete der Staatsgerichtshof den Senat, mit Abgeordneten den Inhalt ihrer Fragen zu klären.
Timke spricht von einer „juristischen Ohrfeige“ für den Senat und fordert eine öffentliche Entschuldigung des Senats im Landtag ein. Der Senatsvertreter im Prozess, Ex-Staatsrat und Ex-Richter Matthias Stauch erklärte nach dem Urteil, der Senat werde in der Fragestunde künftig „eingehender begründen“, warum er nicht antworten könne. Auch wenn dann in der Folge weniger Zeit für Fragen der Abgeordneten sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite