Bremer FDP will Gesetze ändern: Freiheit nur noch für EU-Bürger
Die Bremer FDP möchte den Islamismus bekämpfen und fordert ein Demonstrationsverbot für alle, die keinen EU-Pass besitzen. Die Idee ist rechtswidrig.
Die FDP habe sich in der Debatte über den Umgang mit islamistischen Einstellungen mit dieser Forderung „vorgewagt“, so der Fraktionssprecher für Inneres und Justiz, Marcel Schröder, um einer „Unterwanderung von Demonstrationen durch feindliche ausländische Kräfte“ zu begegnen, die die FDP offenbar befürchtet. Während sich andere Fraktionen über die Forderung empören, schätzen juristische Expert*innen die Forderung als ohnehin unzulässig ein.
Insgesamt 17 Forderungen stellt die Bremer FDP-Fraktion in ihrem Positionspapier auf. Darunter befindet sich etwa auch, dass die Sicherheitsbehörden mehr Geld erhalten und die demokratische Bildung ausgebaut werden soll – Forderungen also, die von der FDP schon früher erhoben wurden.
Jedoch: Auch die Forderung nach einem Demonstrationsverbot ist in der FDP nicht gänzlich neu. So hatte die frühere FDP-Bundesjustizministerin und heutige nordrhein-westfälische Antisemitismus-Beauftragte, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, selbiges zur Debatte gestellt.
Während Leutheusser-Schnarrenberger nach lauter Kritik an ihrem Vorstoß zurückruderte, steht die Bremer FDP-Fraktion zur Forderung. „Erst die Integration, dann das politische Engagement“, begründet Schröder das Verbot. Schließlich würden Demonstrationen die politische Debatte prägen – diese soll also nicht durch Nicht-EU-Bürger*innen beeinflusst werden. Angesichts islamistischer Demonstrationen samt den Rufen nach der Errichtung eines Kalifats, wie etwa in Hamburg vor einigen Monaten, müsse der Staat schon vor den eigentlichen Straftaten auf einer Demonstration tätig werden – und entsprechend Nicht-EU-Bürger*innen nicht zu Demonstrationen zulassen. „Es geht darum, uns für Freiheit und Demokratie einzusetzen“, erklärt Schröder.
Irritation und Empörung auf diesen Vorstoß äußerten umgehend Linke, Grüne und SPD, die ihn als „illiberal“ und „populistisch“ bezeichneten. Aber auch aus Sicht von juristischen Expert*innen ist die Forderung nicht zulässig. So ist die Versammlungsfreiheit nach dem Grundgesetz zwar ein Recht für deutsche Staatsbürger*innen, gilt aber nach EU-Recht und nach der Europäischen Menschenrechtskonvention für alle – unabhängig des Passes, betont Nele Austermann, Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel. Folglich verstoße die Forderung gegen die Menschenrechtskonvention.
Hinzu kommt: Die Bremer Landesverfassung erweitert das Versammlungsrecht um den Aspekt des Wohnens. So heißt es in Artikel 16, dass das Recht, sich friedlich und unbewaffnet zu versammeln, „allen Bewohnern der Freien Hansestadt Bremen“ zusteht. Menschen ohne deutschen oder EU-Pass, die aber in Bremen wohnen, können sich laut Austermann also auf die Landesverfassung beziehen. Die Forderung der FDP nach einem entsprechend geänderten Landesversammlungsgesetz wäre also rechtswidrig, weil es gegen die Landesverfassung verstoßen würde.
Die Rechtswidrigkeit ihrer Forderung sieht die Bremer FDP-Fraktion allerdings nicht, ist sich aber anscheinend der praktischen Probleme ihrer Forderung bewusst. „Natürlich kann es bei Demonstrationen keinen Einlass mit Ausweiskontrolle wie bei einem Festival geben“, sagt Schröder. Das Verbot würde eher allgemein gelten und solle vor allem der Polizei und dem Ordnungsamt beim Umgang mit islamistischen Demonstrant*innen helfen. „Das wird sich aber in der Umsetzung natürlich nicht in jedem Fall zu 100 Prozent kontrollieren lassen“, sagt Schröder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört