Bremer Affenversuche dürfen weitergehen: Forschungsnutzen darf abstrakt sein
Der Senat hatte die Hirnforschung an Makaken 2023 nicht neu genehmigt. Doch die Gutachten zur Begründung seien unbrauchbar, so das Verwaltungsgericht.

Der Hirnforscher arbeitet bereits seit 1998 an der Uni Bremen mit Makaken. Er betreibt Grundlagenforschung zur Weitergabe von neuronalen Signalen und beobachtet dafür, was in den Makakengehirnen passiert, während sie in Experimenten Reaktionsaufgaben erfüllen. Ebenso lange gibt es Kritik von Tierschützer*innen. Sie wenden sich gegen die Haltung der Tiere, die meist nur während der Experimente trinken können und gegen die Schädeloperation, bei denen den Versuchstieren eine Kunststoffkappe mit Messsonden auf dem Knochen fixiert wird.
Der Bremer Senat hatte mehrfach versucht, die Versuche zu stoppen – vergeblich. Der aktuelle Beschluss des Verwaltungsgerichts ist die siebte Gerichtsentscheidung seit 2008 gegen den Senat und zugunsten von Kreiter. Zuletzt hatte die zuständige Gesundheitsbehörde bei ihrer Ablehnung des Forschungsantrags argumentiert, dass auch in der Grundlagenforschung ein „klinischer Anwendungsnutzen des zu erwartenden Erkenntnisgewinns in zeitlicher Nähe wahrscheinlich“ sein müsse.
Grundlagenforschung muss nicht unmittelbar anwendbar sein
Geradezu vernichtend ist in dem jetzigen Gerichtsentscheid die Bewertung der vom Senat eingeholten Gutachten. Auf das Thema der Grundlagenforschung, auf die sich Kreiters Antrag beruft, sei der Senat nicht eingegangen. „Es liegt in der Eigenart der Grundlagenforschung“, doziert das Gericht „dass ein mehr oder weniger abstrakt bleibender Nutzen sich vorweg nicht konkret ausmachen lässt.“
„Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin“, schreibt das Gericht, „ist bei der Grundlagenforschung […] nicht zu fordern, dass für die Rechtfertigung eines Tierversuchs ein klinischer Anwendungsnutzen des zu erwartenden Erkenntnisgewinns in zeitlicher Nähe wahrscheinlich ist.“ Auch müsse nicht nachgewiesen werden, dass die Forschungsergebnisse Eingang in klinische Studien oder gar Therapien gefunden habe.
Stattdessen berufe sich der Senat auf die Meinung der Bevölkerung, also sozusagen das gesunde Volksempfinden. Statistische Meinungsumfragen aber könnten für die rechtsstaatliche Abwägung zwischen Tierschutz und Wissenschaftsfreiheit kein Kriterium sein, so das Gericht.
Gutachter wird als nicht objektiv bewertet
Zu einer der vom Senat vorgelegten Expertisen meint das Gericht, „das Gutachten genügt nicht den Standards, die von einem behördlichen Sachverständigengutachten zu erwarten sind.“ Der Gutachter verfüge nicht über die erforderliche „Unvoreingenommenheit und Objektivität“: „Zur Erforschung des Sachverhaltes durch das Gericht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist das Gutachten in Gänze ungeeignet.“
Mit einem weiteren Gutachten hatte der Senat seine Landesbeauftragte Sybille Wenzel, die Leiterin der senatorischen Stabsstelle für den Tierschutz, beauftragt. Grundsätzlich zweifelhaft, findet das Gericht, und stellt zudem fest: „Dem Gutachten der Landestierschutzbeauftragten lässt sich nicht in nachvollziehbarer Weise entnehmen“, ob ihre Argumentationen „dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Ermittlung der Belastung von Versuchstieren entsprechen.“ Der Bremer Senat hatte der taz im Vorfeld den Blick in die Gutachten verweigert.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit