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Braunkohleproteste in der LausitzNazis bedrohen Klimaaktivist*innen

Gegen Ende Gelände formiert sich breiter Gegenprotest auch von rechten Gruppierungen. Aktivist*innen reagieren mit Sicherheitskonzepten.

Umweltschutzaktivisten von „Ende Gelände“ während der Aktionstage in der Lausitz im Mai 2016 Foto: Markus Heine/imago

Berlin taz | Gegen die am Wochenende geplanten Blockaden von Tagebauanlagen und Kraftwerken in der Lausitz durch die Klimabewegung Ende Gelände formiert sich ein breiter Gegenprotest, am dem sich auch Rechtsex­treme beteiligen. „Wir wissen um das Sicherheitsrisiko in der Region und bereiten uns mit einem Sicherheitskonzept und internen Leitfäden darauf vor“, sagte Nike Mahlhaus, die Teil des Presseteams von Ende Gelände ist, der taz.

„Wir bewegen uns aus Sicherheitsgründen diesmal in großen Gruppen“, kündigt sie an. Deeskalationsteams sollen vermitteln und schwierige Situationen entschärfen. Zudem gibt es Mahlhaus zufolge anders als 2016 kein Camp, aus Sicherheitsgründen – damit Aktivist*innen nicht über Nacht bleiben müssen. Ein Leitfaden gibt weitere Informationen. „Doch trotz dieser Aktionen sind wir verletzlich und darauf angewiesen, dass uns niemand angreift“, sagt Mahlhaus.

Auf Twitter kursieren indes Meldungen, die gegen die Bewegung hetzen: „In Bulgarien jagen die Kohlekumpels so was wie euch mit Spitzhacken aus der Grube und die Polizei hat Kaffeepause“, schreibt ein User. „Züge rollen lassen und die Maschinen auch. Selbst schuld, wenn sie zwischen die Bänder kommen“, ergeht sich ein anderer Nutzer in Gewaltfantasien.

Zum aufgeheizten Klima trägt auch ein Banner bei, das Fans des Fußball-Regionalligisten Energie Cottbus am vergangenen Samstagsspiel im Stadion zeigten. „Wann Ende im Gelände ist, bestimmt nicht ihr! Unsere Heimat – unsere Zukunft“, heißt es darauf – verbunden mit der Drohung „Ende Gelände zerschlagen“. Kommentiert und bearbeitet wurde das Foto auf Twitter von einer Fangruppe mit den Worten: „Unser Revier, euer Angstschweiß“. Der Verein Energie Cottbus ließ Nachfragen der taz zum Banner bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Schon 2016 flogen Flaschen und Böller

Bereits 2016 kam es bei Ende-Gelände-Protesten in der Lausitz wiederholt zu Pöbeleien durch Anwohner*innen und zu einzelnen Übergriffen durch Rechtsextreme. Mindestens ein Böller und eine Flasche wurden in Richtung der Aktivist*innen geworfen. Eine Mahnwache wurde in der Nacht von etwa zehn Männern mit Eisenstangen angegriffen. Die Polizei verteilte Platzverweise gegen 57 Personen, die überwiegend „der rechten Szene zuzuordnen und zum Teil auch der Polizei als Straftäter rechtsmotiviert bekannt“ gewesen seien.

Für Irritationen sorgte vor den jetzt geplanten Protesten der Entwurf einer gemeinsamen Erklärung aller Parteien in der Cottbusser Stadtverordnetenversammlung, die von der SPD via Rundmail auch an die AfD verschickt wurde. Mit der Erklärung wolle man ein „klares Signal“ setzen: Ende Gelände sei eine „an Dialog und Verständigung nicht interessierte Initiative von außen“, die angekündigten Vorhaben seien „gewalttätig und rechtswidrig“, hieß es noch in einem ersten Entwurf.

Davon finde sich aber nichts mehr in der Version, die nun zur Abstimmung steht, sagt Eberhard Richter, Fraktionsvorsitzender der Linken in Cottbus. „Uns geht es mit dieser Erklärung auch darum, dass es von keiner Seite zu Provokationen oder Gewalt kommen soll.“ Richter ist skeptisch gegenüber den Aktionen von Ende Gelände am Wochenende, er hält sie für „überstürzt und wenig produktiv“. Bei der Kommunalwahl im Mai war die AfD in Cottbus auf 22,3 Prozent gekommen und ist damit stärkste Kraft.

Die Lausitz ist das zweitgrößte deutsche Braunkohlerevier, in dem etwa 24.000 Arbeitsplätze von der Braunkohle abhängig sind. Wegen des geplanten Kohleausstiegs bis 2038 hat das Bundeskabinett Milliardenhilfen für die deutschen Kohleregionen beschlossen. Die Lausitz soll 17 Milliarden Euro erhalten.

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7 Kommentare

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  • 17.000.000.000 geteilt durch 24.000 sind 708.333,33 dank Ende Gelände. "Kohleausstieg aber(!) Sozial." na danke auch, die Spree ist eine Brühe.

  • Leider ist es inzwischen ja in einigen Kreisen geradezu hip geworden, gegen Umweltschutz zu sein - oder besser, gegen die Gruppen, die Umweltschutz lautstark einfordern. Ganz voran der Erzfeind Deutsche Umwelthilfe, die sich erdreistet, vor Gerichten geltendes Recht einzufordern. Das sind doch alles vom bösen Juden Sorros bezahlte Mietmäuler die unser Land kaputt machen wollen! - so schallt es aus den gallespuckenden Kommentaren. All das während gleichzeitig die klimatologischen Einschläge immer näher rücken. Blind den Tatsachen gegenüber, taub den Forschern gegenüber die seit Jahrzehnten warnen. Hauptsache man selber muss sich nicht ändern, schließlich hat man das schon immer so gemacht, das darf ja nicht falsch gewesen sein.



    Da wird jetzt laut den 25000 Arbeitsplätzen in der Kohleindustrie nachgeheult. Als fast 100000 Jobs in der Solarindustrie ohne Not von unserer Regierung vernichtet wurden, hat sich da jemand in der Lausitz solidarisiert? Ich hab nix davon gehört, war ja nicht deren Problem.

    • @SuedWind:

      So nennt man jetzt also mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, das ist wie bei den Windkraft jetzt.

      Deutschland ist als Markt zu klein, bei Solarworld dachte man sich auch, was sind wir nur für Sonnenkindet, wir machen 1 Milliarde Umsatz. Man muss sich breiter aufstellen! Dann tut einem ein Einbruch auf dem Heimatmarkt zwar weh, haut einen aber nicht um, wie etwa wie bei Senvion.

      Ich war letztes Jahr auf der SNEC, wenn ich mir anschaue, was BYD, CGL, Sumec oder LONGi da in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft haben und wie das hier lief, das ist Kreisliga gegen Champions League.

      • 8G
        83191 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        Streich mal die Subventionen für Braun- und Steinkohle (zusammen bisschen mehr als 2 Mrd. Euro im Jahr 2016, Quelle Umweltbundesamt) und dann schau mal ob das noch Wettbewerbsfähig ist :-)

      • @Sven Günther:

        Hallo, die Braunkohle ist ein Minusgeschäft und würde ohne jegliche Hilfe der Regierung genauso einbrechen. Die Regierung ist in einem kapitalistischen Markt auch dafür da, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, was sie bei den Solar & Windkraftanlagen nicht tat.

      • @Sven Günther:

        Sven, meinen Sie das wirklich ernst?



        Die ganze Diskussion mit der Kohle hängt sich im Wesentlichen daran auf, dass die Kohle absolut nicht wettbewerbsfähig ist und die Menschen die immensen Subventionen nicht mehr zahlen wollen und Sie kommen hier mit genau dem Argument, dass gegen die Kohle spricht?

        • @Franz Georg:

          @ Elias Kemper & @ Holzhirn

          Sie vergleichen im falschen Rahmen, die deutschen Solarmodulhersteller konkurrieren nur bedingt mit der Kohle, aber ganz direkt mit den chinesischen Herstellern.

          Die waren, neben einigen unternehmerischen Fehlern, etwa lange Lieferverträgen für Silizium zum Festpreis, der Preis viel aber stark, der Todesstoß.

          Wenn ich ein Produkt mit ähnlicher Qualität anbiete, die chinesischen Produkte waren ja qualitativ nicht schlechter, die hatten die gleichen Zertifikate und durchliefen die gleichen Tests wie die Deutschen, aber den Preis der Deutschen im Schnitt um 20% unterbiete, dann roll ich die Konkurrenz eben auf.

          Dann hat man als Unternehmen 2 Möglichkeiten, man kann den Preis mitgehen oder das eigene Produkt hat weitere Vorteile die den höheren Preis rechtfertigen, z.B. Effizienz, Lebensdauer, etc. beides war den meisten deutschen Herstellern nicht möglich.

          Solarworld und wie sie alle hießen, hätten keine wesentlich bessere Überlebenschance gehabt, wenn man alle Kohlekraftwerke abgeschaltet hätte.

          Eine andere Industriepolitik hätte die retten können.