Braunkohleproteste in der Lausitz: Nazis bedrohen Klimaaktivist*innen
Gegen Ende Gelände formiert sich breiter Gegenprotest auch von rechten Gruppierungen. Aktivist*innen reagieren mit Sicherheitskonzepten.
„Wir bewegen uns aus Sicherheitsgründen diesmal in großen Gruppen“, kündigt sie an. Deeskalationsteams sollen vermitteln und schwierige Situationen entschärfen. Zudem gibt es Mahlhaus zufolge anders als 2016 kein Camp, aus Sicherheitsgründen – damit Aktivist*innen nicht über Nacht bleiben müssen. Ein Leitfaden gibt weitere Informationen. „Doch trotz dieser Aktionen sind wir verletzlich und darauf angewiesen, dass uns niemand angreift“, sagt Mahlhaus.
Auf Twitter kursieren indes Meldungen, die gegen die Bewegung hetzen: „In Bulgarien jagen die Kohlekumpels so was wie euch mit Spitzhacken aus der Grube und die Polizei hat Kaffeepause“, schreibt ein User. „Züge rollen lassen und die Maschinen auch. Selbst schuld, wenn sie zwischen die Bänder kommen“, ergeht sich ein anderer Nutzer in Gewaltfantasien.
Zum aufgeheizten Klima trägt auch ein Banner bei, das Fans des Fußball-Regionalligisten Energie Cottbus am vergangenen Samstagsspiel im Stadion zeigten. „Wann Ende im Gelände ist, bestimmt nicht ihr! Unsere Heimat – unsere Zukunft“, heißt es darauf – verbunden mit der Drohung „Ende Gelände zerschlagen“. Kommentiert und bearbeitet wurde das Foto auf Twitter von einer Fangruppe mit den Worten: „Unser Revier, euer Angstschweiß“. Der Verein Energie Cottbus ließ Nachfragen der taz zum Banner bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Schon 2016 flogen Flaschen und Böller
Bereits 2016 kam es bei Ende-Gelände-Protesten in der Lausitz wiederholt zu Pöbeleien durch Anwohner*innen und zu einzelnen Übergriffen durch Rechtsextreme. Mindestens ein Böller und eine Flasche wurden in Richtung der Aktivist*innen geworfen. Eine Mahnwache wurde in der Nacht von etwa zehn Männern mit Eisenstangen angegriffen. Die Polizei verteilte Platzverweise gegen 57 Personen, die überwiegend „der rechten Szene zuzuordnen und zum Teil auch der Polizei als Straftäter rechtsmotiviert bekannt“ gewesen seien.
Für Irritationen sorgte vor den jetzt geplanten Protesten der Entwurf einer gemeinsamen Erklärung aller Parteien in der Cottbusser Stadtverordnetenversammlung, die von der SPD via Rundmail auch an die AfD verschickt wurde. Mit der Erklärung wolle man ein „klares Signal“ setzen: Ende Gelände sei eine „an Dialog und Verständigung nicht interessierte Initiative von außen“, die angekündigten Vorhaben seien „gewalttätig und rechtswidrig“, hieß es noch in einem ersten Entwurf.
Davon finde sich aber nichts mehr in der Version, die nun zur Abstimmung steht, sagt Eberhard Richter, Fraktionsvorsitzender der Linken in Cottbus. „Uns geht es mit dieser Erklärung auch darum, dass es von keiner Seite zu Provokationen oder Gewalt kommen soll.“ Richter ist skeptisch gegenüber den Aktionen von Ende Gelände am Wochenende, er hält sie für „überstürzt und wenig produktiv“. Bei der Kommunalwahl im Mai war die AfD in Cottbus auf 22,3 Prozent gekommen und ist damit stärkste Kraft.
Die Lausitz ist das zweitgrößte deutsche Braunkohlerevier, in dem etwa 24.000 Arbeitsplätze von der Braunkohle abhängig sind. Wegen des geplanten Kohleausstiegs bis 2038 hat das Bundeskabinett Milliardenhilfen für die deutschen Kohleregionen beschlossen. Die Lausitz soll 17 Milliarden Euro erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen