Brasiliens künftiger Präsident Bolsonaro: Rechtsextremist legt los
Jair Bolsonaro verkündet die Marschroute für seine Präsidentschaft. Brasiliens Linke bangt um Demokratie und Menschenrechte.
Jetzt werde Brasilien halt von rechts regiert, so funktioniere die Demokratie. Das gesamte Establishment setzt auf gute Zusammenarbeit mit dem Mann, der Folter gutheißt und „das Land von linken Oppositionellen säubern“ will.
In sozialen Netzwerken wimmelt es von Berichten zu Übergriffen. Die meisten werden den Bolsominios, den fanatischen Unterstützern des Ex-Militärs Bolsonaro, zugeschrieben.
Besonders Anhänger afrobrasilianischer Religionen und LGBT-Kreise äußern Angst und Sorge. Immer wieder wird gewarnt: Niemals die Faschos unterschätzen, sie sind jetzt am Ruder, haben die Polizei auf ihrer Seite und bestimmen selbst den Zeitpunkt, zu dem sie handeln werden.
Umweltschutz dürfte keine Rolle mehr spielen
Bolsonaro und sein Team legen sofort los. Nachdem der 63-jährige bis Sonntag jede Einladung zu einer Fernsehdebatte ausschlug, ist er seit Montag auf allen Sendern zu sehen – alleine und ohne Gegenspieler. Sein schwammiges Regierungsprogramm gewinnt langsam Konturen.
Die Ministerien für Finanzen, Handel, Planung und Industrie werden zu einem Superressort Wirtschaft unter Führung des neoliberalen Chicago-Boys Paulo Guedes zusammengelegt. Auch die bereits erwogene Zusammenlegung von Landwirtschafts- und Umweltministerium soll umgesetzt werden.
Da das Agrobusiness zu Bolsonaros aktivsten Unterstützern gehört, ist davon auszugehen, dass der Schutz von Wäldern und das Einhalten von Ökoauflagen in Brasilien keine Rolle mehr spielen werden. Greenpeace sprach von einem „großen Fehler“.
Die umstrittene Rentenreform, die sein Vorgänger Michel Temer nicht auf den Weg bringen konnte, soll so schnell wie möglich zur Abstimmung gestellt werden. Die Gesetzesinitiative, die vor allem Ärmeren ihre Altersbezüge kürzt und viele Menschen mit geringerer Lebenserwartung ganz aus dem Rentensystem ausschließt, ist Teil der angekündigten Austeritätspolitik, mit der das Haushaltsdefizit ausgeglichen werden soll.
Das Justizministerium soll der prominente Anti-Korruptionsrichter Sergio Moro übernehmen. Vielen gilt der Jurist als Held, weil er zahlreiche Topmanager und Politgrößen hinter Gitter sperrte. Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva verurteilte er zu über neun Jahren Haft – aus Sicht von Lulas Verteidigung handelte es sich um einen politischen Prozess mit dem Ziel, Lulas Antritt bei der jüngsten Wahl zu verhindern.
Bolsonaro will Strafmündigkeit ab 14
Lulas Verteidigung sprach von einer Verurteilung ohne Beweise und kritisierte die Vorgehensweise des Richters scharf. Unter anderem hatte Moro 2016 einen illegalen Telefonmitschnitt der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff mit Lula veröffentlicht. Sollte Moro die Berufung zum Justizminister nicht annehmen, will Bolsonaro ihn für den nächsten freien Platz am Obersten Gerichtshof gewinnen.
Besondere Priorität soll für den designierten Präsidenten die Sicherheitspolitik haben. Dazu gehört erst einmal eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. „Wenn es nach mir ginge, sollten Jugendliche ab 14 Jahren für ihre Taten rechtlich einstehen“, sagte Bolsonaro. Da dies offenbar nicht durchsetzbar sei, müsse dieses Alter zumindest auf 17 gesenkt werden.
Eine weitere dringliche Gesetzesinitiative sei die Straflosigkeit für Polizeibeamte im Einsatz. „Wer das Gesetz bricht, muss wissen, dass er etwas Falsches tut. Er wird entweder durch das Gesetz zur Rechenschaft gezogen oder erschossen“, meint Bolsonaro.
Viele Stimmen hatte er bei der Wahl von Pfingstkirchlern erhalten: Als Dank besuchte das designierte Staatsoberhaupt am Dienstagabend den Gottesdienst in einer evangelikalen Kirche. Den Tränen nahe dankte er Gott für die Mission, die er nun verfolgen werde.
Demo für Meinungsfreiheit und Demokratie
Bolsonaro hatte gedroht, „die roten Nichtsnutze aus dem Vaterland zu vertreiben“ – das beziehe sich auf die Führung der Arbeiterpartei PT und der linken Partei PSOL, betonte er nun im Fernsehen. In mehreren Städten kam es dann am Dienstag erneut zu Protesten: In São Paulo und Rio de Janeiro forderten Tausende Respekt vor der Demokratie und vor Meinungsfreiheit.
Auch in Rio de Janeiro sind die Aussichten für den Rechtsstaat alles andere als rosig. Der frisch gewählte Gouverneur Wilson Witzel – ein bislang völlig unbekannter Ex-Richter und Bolsonaro-Verbündeter – will „die Sicherheitslage durch das Erschießen von bewaffneten Kriminellen“ stabilisieren.
Er habe bereits eine Bestandsaufnahme über ausgebildete Scharfschützen in Reihen der Polizei in Auftrag gegeben und will gezielte Schüsse aus Hubschraubern erlauben, sagte Witzel im Fernsehsender „Globonews“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen