Brasiliens Klimapolitik: Umwelt-Spagat in Dubai
Bei der Weltklimakonferenz sendet Brasilien eine widersprüchliche Botschaft. Das Land gibt sich gleichzeitig als Ölförderer und Regenwaldretter.
Mit „erhobenen Haupt“ wollte Brasilien laut Umweltministerin Marina Silva auf der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai auftreten und mit einer klaren Botschaft auftrumpfen: Brasilien ist nach den umweltschädlichen Jahren unter dem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro zurück und bereit, Verantwortung in den Klima-Diskussionen zu übernehmen. Diese Message wurde dann auf der Eröffnung am Donnerstag etwas verschmutzt: Energieminister Alexandre Silveira kündigte an, dass Brasilien Mitglied des Ölkartells Opec+ wird.
Das größte Land Südamerikas verdoppelte seine Erdölproduktion in den vergangenen 20 Jahren, 2022 lag die Menge bei 3 Millionen Barrel am Tag. In einem Treffen mit Aktivisten auf der COP versuchte der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva am Samstag diese Nachricht positiv zu drehen: Brasilien wolle sich als designiertes Opec+-Mitglied für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen einsetzen und „die erdölproduzierenden Länder davon überzeugen, dass sie sich auf das Ende der fossilen Brennstoffe vorbereiten müssen“.
Zusätzlich zu Marina Silva und Präsident Lula besuchen viele hochrangige Minister*innen und 400 weitere Regierungsvertreter*innen die Klimakonferenz. Es ist die größte brasilianische COP-Delegation bisher. Medienberichten zufolge wollen sich die brasilianischen Verhandlungspartner*innen dafür einsetzen, dass die Industriestaaten den ärmeren Ländern und Entwicklungsländern finanzielle Anreize bieten, ihre CO²-Emissionen auf null zu reduzieren.
Ana Toni, Klima-Staatssekretärin der Lula-Regierung, sieht in Dubai eine klare Rolle für ihr Land. „Den Wald retten und der lokalen Bevölkerung ein würdevolles Leben bieten.“ Präsident Lula erinnert dabei regelmäßig an die Verantwortung der Industriestaaten und pocht darauf, dass sie jährlich 100 Milliarden US-Dollar zum Schutz des Regenwaldes zur Verfügung stellen. Der größte Wald der Welt befindet sich zu 60 Prozent auf brasilianischem Territorium.
Radikaler Wandel versprochen
Brasilien will sich jedoch nicht von Industriestaaten vorschreiben lassen, wie es die Umwelt zu retten hat; Lula setzt verstärkt auf regionale Lösungen. Im August kamen die Amazonas-Anrainerstaaten auf Einladung Brasiliens zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder für einen Gipfel zusammen und stellten einen Plan zum Abholzungsstopp vor. Gleichzeitig will die Lula-Regierung aber auch in Richtung EU und USA Handlungsfähigkeit beweisen und zeigen, dass man sich auf Brasilien verlassen kann. Die COP 30 wird im Jahr 2025 in der brasilianischen Amazonas-Metropole Belém stattfinden.
Als Lula am 1. Januar 2023 den rechtsextremen Klimawandel-Leugner Jair Bolsonaro ablöste, versprach er einen radikalen Wandel und baute als eine seiner ersten Amtshandlungen die stark gebeutelte Umweltbehörde Ibama wieder auf. Die Folge: Die Abholzung im Amazonas-Regenwald ging laut dem Waldüberwachungsprogramm Amazon Conservation zwischen Januar und November dieses Jahres um 55,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück.
Allerdings ist Abholzung in anderen Regionen wie der Cerrado-Savanne stark angestiegen. Rechte Abgeordnete, die die Mehrheit im Parlament stellen, versuchen Gesetzesprojekte durchzupeitschen, die von vielen als umwelt- und indigenenfeindlich betrachtet werden.
Außerdem hat Amazonien in diesem Jahr mit einer Rekorddürre zu kämpfen, viele Hektar Regenwald wurden durch Brände zerstört. Umwelt- und Klimapolitik sind in Brasilien ein Spagat. Einerseits scheint sich die Lula-Regierung ihrer Verantwortung bewusst zu sein und hat begonnen zu handeln. Andererseits ist der größte Staat Lateinamerikas stark von der Landwirtschaft abhängig, das Agrobusiness ist mächtig.
Auch der für sein Verhandlungsgeschick berühmte Lula kann nicht an ihnen vorbeiregieren. „Einige Firmen sind an Umweltverbrechen beteiligt, aber es gibt auch viele Unternehmen, die nicht mit Abholzung in Verbindung stehen“, betont Klima-Staatssekretärin Ana Toni. Eine große Delegation von Firmenchefs wird mit nach Dubai reisen. Viele Umweltschützer*innen und Indigene sehen den vermeintlichen Wandel und „grüne Wirtschaftsprojekte“ allerdings skeptisch.
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