Brandenburger Tor abgeschaltet: Müller macht das Licht aus
Der Regierende Bürgermeister persönlich hat entschieden, die „Bärgida“-Demonstranten im Dunkeln stehen zu lassen.
Es war 19.05 Uhr am Montagabend, als der Hausmeister das Licht ausschaltete. Mehrere hundert „Bärgida“-Demonstranten standen nicht länger vor einem wie sonst eindrucksvoll erleuchteten Brandenburger Tor, sondern im Dunkeln. „Das war eine Solidaritätsbekundung mit den Gegendemonstranten“, sagt Senatssprecherin Daniela Augenstein am nächsten Mittag bei der Pressekonferenz nach der Senatssitzung. Sie war es, die dem Hausmeister kurz vor sieben die Ansage durchtelefoniert hatte, das Licht abzuschalten.
Überlegungen zum Licht-Ausschalten habe es schon am Vormittag im Roten Rathaus gegeben, die Entscheidung habe der neue Regierungschef Michael Müller (SPD) im Laufe des Tages getroffen. Vorbilder gab es durch ähnliche Aktionen in Dresden und auch in Köln. Dort ließ Erzbischof Rainer Maria Woelki, vor kurzem noch in gleicher Funktion in Berlin, die Beleuchtung des weltberühmten Doms abschalten ließ.
Man hatte sich Augenstein zufolge aber darauf verständigt, die Aktion von der Beteiligung an der „Bärgida“-Demo abhängig zu machen. Bei 60, 70 Leuten hätte man das nicht gemacht, um dem Ganzen nicht noch zusätzliche Öffentlichkeit zu verschaffen, hieß es in der Senatskanzlei. Doch als deutlich wurde, dass es mehrere hundert Teilnehmer waren, hielt man den absichtlichen Blackout nach für angemessen.
„Das bleibt die Ausnahme“
Müller hatte bereits in seiner Neujahrsansprache aufgefordert, sich „populistischen Strömungen mit ihren einfachen und oft menschenverachtenden Parolen“ entgegenzustellen. Sie sollten Flüchtlinge willkommen heißen und Solidarität zeigen.
Laut Augenstein soll die Politik des „Licht aus“ nun nicht gängiges Mittel sein. „Klar ist, dass das Ausnahme bleibt und dass es das nicht bei jeder Gelegenheit geben kann“, sagte sie der taz.
Formal ist die Senatsverwaltung für Kultur für das Tor zuständig. Verwaltet wird es, wie rund 1600 andere öffentliche Gebäude, von der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH, kurz BIM, quasi der Hausmeisterei des Landes.
Offen blieb am Dienstag, wie weit die Aktion mit Müllers Koalitionspartner CDU abgestimmt war. Dessen Generalsekretär Kai Wegner lobte im Info-Radio des RBB zwar die Aktion, aber mit doppelter Verneinung: Er finde es „nicht verkehrt, wenn man so ein Signal setzt.“ Denn gerade würden Bilder von einem Deutschland um die Welt gehen, wie Deutschland nicht sei. „Und gerade Berlin steht für Weltoffenheit und Toleranz“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind