Brandenburger Landtag: AfD stellt Vizepräsidenten
Rechter Vize: Der Brandenburger Landtag hat mit Galau zum ersten Mal einen AfDler als Stellvertreter der Präsidentin Liedtke (SPD).
Andreas Galau ist der Mann, den die AfD-Fraktion erfolgreich für das Amt nominiert hat. Ob es für ihn reichen würde, war vor diesem Mittwochmorgen offen gewesen. In der vergangenen Wahlperiode fiel der heute 51-Jährige vier Mal durch, als er Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission werden sollte – jenes Gremium, das den Verfassungsschutz kontrollieren soll.
Als Grund galt, dass Galau, der auch mal Mitglied bei CDU und FDP war, von 1987 bis 1990 der Partei „Die Republikaner“ angehörte. Andererseits war Galau bereits seit 2017 einfaches Präsidiumsmitglied. Der als liberal eingeordnete CDU-Fraktionschef Jan Redmann sagte vor der Wahl: „Wenn ich mir die AfD-Fraktion angucke, fällt mir niemand ein, bei dem ich sagen würde: Bei dem kann ich mir das eher vorstellen als bei Galau.“
Die Linksfraktion hingegen machte schon zu Wochenbeginn klar, dass sie Galau ablehnen würde. Von der SPD hieß es, kein AfDler werde ihre Stimmen bekommen – „egal wer da antritt“ – allerdings mochte man den eigenen Leuten nicht vorschreiben, ob sie mit Nein stimmen oder sich enthalten sollten. Und Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher hatte angekündigt: „Wir werden ihn nicht aktiv mitwählen, aber ich denke, es gibt eine ganze Menge Enthaltungen.“
Anderer AfD-Kandidat fällt durch
Und weil für die Wahl keine absolute Mehrheit der 88 Mitglieder nötig ist, sondern Galau bloß mehr Ja- als Neinstimmen braucht, reichen diese 36 Stimmen gegen 20-mal Nein und 31 Enthaltungen. Alles andere hätte die Landespolitik auf Eis gelegt: Anders als im Bundestag, wo seit 2017 diverse AfD-Kandidaten für das Vize-Amt durchgefallen sind, ist in Brandenburg in der Verfassung festgeschrieben, dass der zweit- und drittstärksten Partei ein solcher Posten zusteht. In diesem Fall sind das AfD und CDU, die die frühere Justizministerin Barbara Richstein aufstellte, die 74 Ja- und neun Neinstimmen bekommt. Ohne zwei Vizepräsidenten wäre der Landtag nicht konstituiert gewesen und hätte in den nächsten Monaten, nach Ende der am Montag begonnenen Gespräche über eine Kenia-Koalition, auch keinen neuen Ministerpräsidenten wählen können, der vermutlich wieder Dietmar Woidke von den Sozialdemokraten sein wird.
In der letzten Reihe der Unions-Fraktion sitzt währenddessen der Mann, der selbst gern Regierungschef geworden wäre. Ingo Senftleben verlor nicht nur die Landtagswahl und muss ein Wahlergebnis-Tief der CDU von 15,6 Prozent verantworten, er kam mit einem Rücktritt auch seiner Abwahl als Fraktions- und Parteichef zuvor.
Liedtke, Landtagspräsidentin
Stark an seinem Abstieg beteiligt war die frühere CDU-Landeschefin Saskia Ludwig. Und während andere Abgeordnete im Saal bewusst auf Distanz zur AfD gehen, tätschelt Ludwig auf dem Weg zur Abstimmungskabine einem AfD-Mann, auch er in der letzten Reihe, die Schulter.
Während Galau gewählt wird, fällt ein anderer AfD-Bewerber hingegen durch: Daniel Freiherr von Lützow, der Beisitzer im Präsidium werden wollte. Über ihn hatte auch CDU-Fraktionschef Redmann am Dienstag ganz klar geurteilt, er sei „ein Rechtsxtremist“. Dennoch bekommt auch von Lützow fünf Stimmen mehr, als die AfD-Fraktion Sitze hat.
Zwischenrufe bei Eröffnungsrede
Eröffnet hat diese Sitzung ebenfalls eine AfDlerin: Weil kein anderes Mitglied älter ist, steht und sitzt zu Beginn die 73-jährige Cottbuser Abgeordnete Marianne Spring-Räumschüssel als Alterspräsidentin vor den Abgeordneten – so wie vor fünf Jahren schon an gleicher Stelle der damalige AfD-Fraktionschef Alexander Gauland. Die sorgt erst für Geraune im Saal und schließlich für empörte Zwischenrufe. „Keine AfD-Rede!“, fordert ein Abgeordneter, SPD-Fraktionschef Bischoff ruft: „Unwürdige Eröffnung“. Spring-Räumschüssel redet knapp zehn Minuten, sieht dabei die AfD als ausgeschlossen, das politische Klima „immer mehr belastet durch Vorgaben der politischen Korrektheit“ und meint schließlich: „Wer nicht mit dem Mainstream schwimmt, wird in die rechte Ecke gestellt.“
Die kurz darauf gewählte neue Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD, 60) hingegen fordert eine Kultur des „Streitens, ohne zu verletzen“. Das entspannt nach dem Beinahe-Eklat bei der Eröffnungsrede die Stimmung wieder etwas. Wenig später ist auch Galau gewählt, ohne jede hörbare ablehnende Reaktion auf das Ergebnis.
Bundesweit ist das kein Novum: In Sachsen-Anhalt stellt die AfD schon seit 2016 einen von zwei Vizepräsidenten, in Hamburg besetzt sie einen von sechs solcher Posten. An Liedtke liegt es nun, mit Galau einen Arbeitsmodus zu finden. Eines macht sie ganz allgemein schon an diesem Vormittag klar: „Neutralität im Amt der Präsidentin bedeutet für mich nicht, keine Position zu beziehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“