Brandanschlag auf Sicherheitsfirma: Molotowcocktails gegen Überwachung
In der Nacht zu Dienstag brannten Büros einer Bremer Sicherheitsfirma. Das Unternehmen liefert Überwachungstechnik an Polizei und Militär.
Eine verrußte Fassade, ein kaputtes Fenster, ein ausgebranntes Büro. Das ist seit Dienstagmorgen Stand der Dinge im Firmensitz des Bremer Unternehmens Opto Precision.
Unbekannte hatten in der Nacht vom 25. auf den 26. November mehrere Scheiben eingeschlagen und Brandsätze ins Gebäude geworfen. Der Brand konnte schnell gelöscht werden, verletzt wurde niemand. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen und schließt einen politischen Hintergrund nicht aus, teilte die Polizei Bremen mit.
Ein Bekennerschreiben, das am Dienstagvormittag auf der Plattform Indymedia veröffentlicht wurde, schätzen die Ermittler auf Nachfrage der taz nach einer Prüfung als authentisch ein. Das Schreiben war nur kurz online und ist seit Mittwochmorgen nicht mehr zugänglich. Warum der Post nicht mehr online steht, ist auch der ermittelnden Polizeibehörde unklar.
Unter dem Titel „Feuer und Flamme den Profiteur:innen der Angst“, begründen die Verfasser:innen des Bekennerschreibens laut einem Bericht von T-Online den Anschlag auf Opto Precision damit, dass das Unternehmen Überwachungstechnik an Polizei und Militär liefere: „Mit der Technik von Opto Precision werden Menschen kontrolliert, gejagt und letzten Endes getötet.“
„Mitverantwortlich für Psychoterror“
Konkret kritisieren die Verfasser:innen, dass Opto Precision ein mobiles Kamerasystem entwickelt habe, das „beweissichere, tageslichtunabhängige Aufnahmen zur Identifikation von Personen und Fahrzeugen“ liefere. Das Unternehmen sei daher mitverantwortlich „für den Psychoterror, die schlaflosen Nächte, die Isolation, die Angst vor Hausdurchsuchungen und auch dafür, dass Mitstreiter*innen im Knast sitzen“. Der Brandanschlag sei somit auch ein „Beitrag zur praktischen Antirepressionsarbeit“.
Das Unternehmen Opto Precision entwickelt tatsächlich Überwachungstechnik für die Polizei und das Militär. Dazu gehören neben Überwachungskameras und Blitzeranlagen auch Drohnen und Technik zur verdeckten Videoüberwachung.
So war Opto Precision an der Entwicklung einer umstrittenen Gesichtserkennungstechnologie, dem „Personen-Identifikations-Systems“ (Peris), beteiligt. Das sind verdeckte Kameras, die zum Beispiel am Straßenrand eingesetzt werden, um vorbeifahrende Menschen zu filmen und die Aufnahmen mit polizeilichen Datenbanken von Verdächtigen abgleichen.
Zuerst wurde diese Gesichtserkennungstechnik 2019 in Sachsen an der deutsch-polnischen Grenze in fest installierten Säulen und zunächst bei Ermittlungen zur Eigentumskriminalität eingesetzt.
Wie erst im März dieses Jahres durch eine parlamentarische Anfrage in Berlin bekannt wurde, nutzt mittlerweile auch die Polizei in Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Baden-Württemberg solche verdeckten Kameras am Straßenrand. Die rechtliche Grundlage für den Einsatz der Gesichtserkennung ist unter Jurist*innen stark umstritten.
Der Brandanschlag auf Opto Precision ist nicht der erste Fall dieser Art in Bremen. In der Silvesternacht 2021 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf ein Gebäude des nur wenige Kilometer entfernten Raumfahrtkonzerns OHB. In einem damals online veröffentlichten Schreiben bekannte sich eine Gruppe unter dem Namen „Autonome Antimilitarist*innen“ zu der Aktion.
Im Sommer dieses Jahres hatten Unbekannte Kabelschächte an der Bahnstrecke Bremen-Hamburg angezündet. In einem später als nicht authentisch eingestuften Bekennerschreiben wurde die Aktion damit begründet, dass die Bahn die Bundeswehr bei Truppen- und Materialtransporten unterstütze.
Bremen gilt als bedeutender Standort der Rüstungsindustrie. Keine andere Stadt weise eine vergleichbare Dichte an entsprechenden Unternehmen auf, schreibt das Friedensforum. Etwa 7 Prozent des Umsatzes der deutschen Rüstungsindustrie werden in Bremen gemacht. Rund 5.000 Menschen arbeiten in der Branche.
Auf die Akteure der Rüstungsindustrie in Bremen Anschläge zu verüben, hält Tobias Helfst, der schon lange in der Bremer linken Szene aktiv ist, für nicht besonders wirksam. „Das ist nicht vergleichbar mit den 1970ern und 80ern, als Anschläge der Revolutionären Zellen oder der Roten Zora auf Unternehmen breite gesellschaftliche Wirkung hatten.“ Helfst beobachtet vielmehr, dass die jüngsten Aktionen in Bremen medial und politisch aufgebauscht und instrumentalisiert würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs