piwik no script img

Boykottbewegung „Buy from Europe“Make Sinalco Great Again

Online formiert sich eine Boykottbewegung gegen amerikanische Produkte. Als Protest gegen Trumps Politik sollen nur europäische Produkte gekauft werden.

Hüten den Laden, damit Tesla zum Ladenhüter wird: Proteste vor der einer Tesla-Filiale in Berlin Foto: Fritz Engel/laif

„Ich habe Amazon Prime gekündigt“, „Deutsche Freunde vereinigt euch – kauft kein Jack Daniels“, „Deepl translate statt Google translate“. „Made in EU“-Sticker an Supermarktregalen mit Kitkat-Schokoriegeln. Oder ein Berg mit Keksen und Marmelade mit der Bildunterschrift „Zum ersten Mal alles aus Europa, es ist leicht“. In dem Forum „BuyfromEU“ („Kauft europäisch“) auf der Onlineplattform Reddit ist derzeit viel los. Seit zwei Monaten ist es online, inzwischen tauschen dort über 214.000 NutzerInnen Vorschläge aus, wie sie gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump aktiv werden können.

Die hohen Zölle, das nationalistische Gebaren und scheinbare Ende der transatlantischen Freundschaft ärgert viele EuropäerInnen. Der Konsum von US-Produkten ist für sie zur politischen Frage geworden. Kauft man jetzt besser Sinalco statt Pepsi, Persil statt Ariel? Nutzt Ecosia statt Google, kauft bei Zalando statt Amazon? Kommen die Turnschuhe besser von Adidas als von Nike?

Proteste gegen den Vietnamkrieg in den 60ern, gegen den Nato-Doppelbeschluss in den 80ern, gegen den Irakkrieg in den 90ern, gegen das EU-Freihandelsabkommen TTIP in den 2010er Jahren: Demonstrationen gegen die USA haben in Europa Tradition. Eine neue Bürgerbewegung sieht der Berliner Protestforscher Simon Teune in der Boykottbewegung jedoch noch nicht: „Dazu fehlen klar artikulierte Forderungen, eine organisatorische Formung und die Vereinigung einzelner Strömungen.“ Antiamerikanismus habe zwar in Europa eine lange Tradition, aber er beziehe sich eher auf Dinge wie den Freihandel, die von der US-Regierung nun infrage gestellt werden.

Können Einzelne Trump ärgern oder seine Politik gar ändern, indem sie US-Produkte boykottieren? Immerhin sind die USA der wichtigste Handelspartner der EU für Ausfuhren und nach China der zweite für Einfuhren in die EU. Insgesamt wurden 2024 Waren im Wert von 865 Milliarden Euro ausgetauscht.

Sterne für europäische Produkte

Seitdem Trump Grönland oder Kanada annektieren will und einstige Verbündete wie Mexiko, Japan oder die EU mit Strafzöllen überzieht, regt sich jedoch in vielen Teilen der Welt Widerstand. In Supermärkten in Kanada, das laut Trump 51. Bundesstaat der USA werden soll, fing der Protest an: KundInnen legten hier US-Produkte umgekehrt in die Regale zurück, um ihre Herkunft deutlich zu machen. Lokale und nicht-US-amerikanische Produkte werden in Kanada zudem bereits seit Wochen mit einem Ahornblatt gekennzeichnet. Mit der App „Maple Scan“ können KundInnen beim Einkaufen Barcodes scannen, um zu prüfen, ob Produkte US-amerikanische Bestandteile enthalten. In einigen Cafés heißt der Americano inzwischen „Canadiano“.

Die Kennzeichnungsaktion fand schnell Nachahmer in Dänemark, dem Trump Grönland abpressen will. In den Supermarktketten Føtex, Netto und Bilka wird Ware aus Europa nun mit einem Stern auf dem Preisschild ausgezeichnet. Damit soll es für die Verbraucher leichter sein, von hiesigen Firmen hergestellte Lebensmittel einzukaufen. Das Kennzeichnungssystem sei „ausschließlich auf Wunsch der Kundschaft“ eingeführt worden, sagt ein Sprecher.

Auch in Deutschland wünscht sich die Mehrheit so etwas: Laut einer repräsentativen YouGov-Umfrage befürworten 47 Prozent der Befragten eine Kennzeichnung von Produkten aus Europa „voll und ganz“, 30 Prozent „eher“. Nur 11 Prozent lehnen sie ab. „Bei vielen Menschen sind Wut und Verunsicherung ein Treiber“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstitut IFH Köln. „Regionalität ist schon länger ein wichtiges Verkaufsargument im Supermarkt. Der Handelsstreit dürfte den Trend verstärken.“

In Deutschland wirbt der Süßartikelhersteller Katjes bereits mit „Made in Germany“. Die großen Einzelhandelskonzerne planen jedoch derzeit nicht, Waren aus Europa zusätzlich auszuzeichnen. „Boykotte oder Sonderkennzeichnungen lehnen wir ab, da sie ungewollt unbeteiligte Erzeuger und Betriebe treffen. Letztlich entscheiden unsere Kunden durch ihre Nachfrage über das Sortiment“, sagt eine Sprecherin der Rewe-Gruppe. Informationen zur Herkunft der Produkte seien im Kleingedruckten auf den Verpackungen ersichtlich.

Ein Sternchen für Whisky aus Europa gibt es in diesem Bilka-Supermarkt im dänischen Randers Foto: Bo Amstrup/Scanpix/ap

Proteste und Boykotts gegen Tesla zeigen Wirkung

Ein Sprecher der Edeka-Zentrale sagt: „Bislang haben wir nur sehr wenige Anfragen von unseren Kundinnen und Kunden erhalten. Sollte sich das in Zukunft verstärken, würden wir prüfen, inwieweit eine solche Kennzeichnung europäischer Produkte sinnvoll und umsetzbar ist.“

Der Außenhandelsverband BGA warnte vor Boykottaufrufen gegen US-Waren. „Als Händler halte ich von Boykotten grundsätzlich wenig“, sagte BGA-Chef Dirk Jandura. „Viele der vermeintlich amerikanischen Produkte werden zum Teil oder ganz hier in Deutschland produziert. Da trifft man dann letztendlich deutsche Unternehmer und Arbeitnehmer.“

Einen gewichtigen „Erfolg“ hatten die Boykotts bereits: Die Elektroautos von Tesla-Firmenchef Elon Musk erweisen sich vielerorts als Ladenhüter. Tesla verkaufte im vergangenen Quartal 13 Prozent weniger Fahrzeuge und der eingebrochene Börsenkurs dezimierte das Vermögen von Trump-Berater und AfD-Unterstützer Musk bereits um Milliarden US-Dollar. Vielerorts gingen Teslas in Flammen auf, am Wochenende protestierten erneut Tausende gegen Musk und seine Autos.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • "Sonderkennzeichnungen lehnen wir ab, da sie ungewollt unbeteiligte Erzeuger und Betriebe treffen. Letztlich entscheiden unsere Kunden durch ihre Nachfrage über das Sortiment"

    Wenn die Kunden entscheiden sollen, dann wäre es die Pflicht der Hersteller und Vertreiber die Entscheidung der Kunden zu unterstützen indem alle Informationen transparent zur Verfügung gestellt werden. Verlogenes Pack .

  • Soso, auf der US-Plattform "Reddit" wird jetzt also europäisch gekauft... und... Turnschuhe, ob von Adidas oder Nike, kommen für gewöhnlich aus Asien... Persil und Ariel werden in EU produziert und der ganze Krempel von Zalando und Amazon kommt auch überwiegend aus Asien...

    Das Problem ist, wir können die Amis überhaupt nicht dort treffen, wo es ihnen wirklich wehtun würde.

    Schon die Waren die direkt aus den USA kommen können wir nur schlecht ersetzen. Alleine auf die Medikamente/Medizintechnik verzichten zu wollen würde ein Massaker in der EU verursachen... Gasmangellage (LNG) über Jahre... und der Flugverkehr (Ersatzteile) kommt fast ganz zum Erliegen...

    Die "US-Waren" die aus anderen Teilen der Welt kommen sind nicht weniger kritisch. Nehmen wir einmal den ganzen Internet-/Computer-/Chipkrempel. Dahinter stecken überwiegend US-Unternehmen, gefertigt wird aber in Asien, also "Asien-Importe" bei uns.

    Dann gibt es die Waren die in der EU gefertigt werden, aber halt von US-Konzernen. Da ginge es eher, das ist aber zu wenig.

    • @Nafets Rehcsif:

      Es ist einfach die Verantwortlichen direkt zu treffen. Einfach hohe Steuern auf digitale Produkte aus den USA.

  • Kauft keine Amerikaner!



    Greift zu Puddingteilchen!



    Also bierernst muss man das als Antialkoholiker natürlich auch nicht nehmen...



    Boykott ist mir aber sehr sympathisch.



    Mein erster, den ich erlebte, war als Kind.



    Unsere Volksbank lud zur Mitgliederversammlung Anfang der 80er.



    Ist ja bekanntlich eine Genossenschaft.



    Der Grund, weshalb wir da waren und ich glaube auch, " plötzlich Genossen", war der Tagesordnungspunkt, in dem ein Bekannter beantragte, dass der Verkauf des Krügerrands in den örtlichen Filialen, nicht mehr möglich sein sollte.



    Das Apartheid abzulehnen war, hielt die Mehrheit der Anwesenden für richtig.



    Heute werde ich mir gerne die genannten Seiten zur Gemüte führen und Erkenntnisse über US Produkte gewinnen, von denen ich bisher überhaupt nichts wusste.



    Ego Murks scheint immerhin aufgrund des Boykotts schon etwas ins Schwitzen zu kommen...

  • "... oder Sonderkennzeichnungen lehnen wir ab, da sie ungewollt unbeteiligte Erzeuger und Betriebe treffen. ..."



    Etikettieren die bei REWE absichtlich falsch, oder wie kann man "unbeteiligte" treffen?

  • Haben die auch ihre Handys und Computer entsorgt?? Ganz auf amerikanische Produkte zu verzichten ist unmöglich

  • Diese Aktionen sind genauso zwielichtig wie das schon immer genutzte Nichtargument, deutsche Autos zu kaufen, um die deutsche Wirtschaft und deutsche Arbeitsplätze zu stärken. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Wir helfen unserer Wirtschaft nachhaltiger, wenn wir als Kunden international und nicht national kaufen. Zum einen beruht unser Lebensstandard nur auf Export und darauf, dass unsere Kunden eben nicht national in ihren Ländern sondern bei uns einkaufen. Dann sollten wir das tunlichst auch so handhaben. Außerdem helfen wir unserer Wirtschaft, sich zu verbessern und konkurrenzfähig zu bleiben, wenn wir immer das beste Produkt kaufen - egal woher - und nicht aus falscher Solidarität in minderwertigere Ware oder unterlegene Technologien investieren. Also so lange Amazon nutzen, bis es Vergleichbares hier gibt und so lange Honda kaufen bis deutsche Autos an das Qualitätsniveau herankommen.

  • Ich weiß, das wird makaber klingen, aber ja: Kauft nicht beim Amerikaner!

    Antiamerikanismus ist schon immer gesund gewesen. Wir brauchen keine Weltpolizei, wir brauchen auch keinen Elefanten im Porzellanladen. Wir brauchen auch niemanden, der uns mit McDonald's und Burger King ungesunde Lebensweisen diktieren will. Kapitalismus ist Gift und kein anderes Land verkörpert den Kapitalismus so sehr, wie die USA.

    Trump und seine Zollpolitik soll uns gestohlen bleiben.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Wer leidet mehr unter einem McD Boykott? Der Clown oder der heimische Pommesverkäufer? Die Welt ist ein bisschen komplizierter...

    • @Troll Eulenspiegel:

      Antiamerikanismus ist schon immer überzogene und fundamentalistische Pauschalierung gewesen, bei aller sachlichen Kritik, die stattdessen notwendig ist und konstruktiv wirken kann.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Genau! Es gibt so viele Systeme vom realen Sozialismus über Monarchien mit ihrer oligarchengesteuerten Wirtschaft und sonst etwas, nur wir haben uns für das schlechteste all dieser Systeme entschieden. Wieso nicht mal diesen Öko-Sozialismus probieren, bei dem jeder alles hat, wenig arbeitet und es allen gut geht?

    • @Troll Eulenspiegel:

      Kapitalismus ist Gift, das stimmt! Doch Kapitalismus ist auch Innovation, Vielfalt und Freiheit. Leider auch Gier, Egoismus und Zerstörung. Das Raubtier muss stets gebändigt werden.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Nun ja, Kapitalismus ist ein globales Wirtschaftssystem, da reicht der Boykott einer Nation nicht aus.

      Ich finde jedoch, dass ein Eurozentrismus auch keine gute Lösung ist. Die EU hat auch so seine großen und kleinen Trumps. So einfach ist es halt eben nicht.