Borussia Dortmund: Der große Moment des Mario Götze
Der 18-jährige Mario Götze rettet mit messihafter Finesse Borussia Dortmund. Doch nach dem 4:1 gegen Hannover 96 wird man beim BVB wieder etwas vorsichtiger mit dem M-Wort.
DORTMUND taz | Das bemerkenswerteste Interview dieses Spieltages hat wahrscheinlich Leonardo Dede gegeben. Sportlich spielt der Brasilianer keine Rolle mehr bei Borussia Dortmund, auch beim 4:1-Sieg gegen Hannover 96 saß er 90 Minuten auf der Bank. Doch am emotionalen Höhepunkt dieser Partie war Dede unverhofft in den Mittelpunkt geraten.
Mario Götze hatte ein fundamentales Tor zum 1:1 erzielt, er zog sein Shirt nach oben, und zum Vorschein kam Dedes Name und seine Nummer, die 17. Der jüngste BVB-Profi nutzte den vielleicht größten Moment seines bisherigen Fußballerlebens für eine Hommage an den Ältesten, der Dortmund am Saisonende nach 13 Jahren verlassen wird. Als Dede später auf Götzes Huldigung angesprochen wurde, waren nur ein paar grunzende Geräusche zu vernehmen. Der 32-Jährige schluchzte, seine Augen wurden feucht, dann lief er davon.
Dede war überwältigt von der Liebeserklärung. Vielleicht war er auch traurig, dass er allenfalls noch wenige Minuten mit diesem wunderbaren Götze zusammen spielen wird. Denn dieser Samstag weckte den Eindruck, dass der 18-Jährige nicht nur über ein ganz außergewöhnliches fußballerisches Talent verfügt, sondern auch über eine noch seltenere Begabung: die Fähigkeit, in den großen, wegweisenden Momenten in Erscheinung zu treten.
Dortmund war in Schwierigkeiten geraten, lag in der 57.Minute 0:1 zurück. Plötzlich war so etwas wie Furcht zu spüren in der Arena. Der Vorsprung auf Leverkusen drohte auf vier Punkte zusammenzuschmelzen. "Das war keine tolle Ausgangssituation", sollte Trainer Jürgen Klopp später sagen. Doch zwei Minuten nach dem Rückstand nahm Götze den Ball im Mittelfeld an, spielte vier Gegner aus und traf zum Ausgleich.
Diese Leichtfüßigkeit, dieses Tempo
"Weltklasse, nicht nur von der Art und Weise her, sondern auch extrem wichtig, was den Zeitpunkt angeht", sagte Mats Hummels zu diesem Tor. Es war eine diese Aktionen, in denen jeder sehen konnte, warum Götze immer wieder mit Lionel Messi verglichen wird: diese Leichtfüßigkeit, dieses Tempo, diese Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Ball.
Die Mitspieler nennen ihren Kollegen längst Götzinho, und Klopp war begeistert. Der Trainer bezeichnete das Tor als "ganz wichtiges Ding", man habe förmlich spüren können, "was das bei allen im Stadion ausgelöst hat". Die Angst vor dem dritten sieglosen Spiel in Folge wich einer neuen Zuversicht, danach sei "der Knopf aufgegangen", meinte Klopp. Zwei Barrios-Treffer und ein Tor von Kevin Großkreutz entschieden ein Spiel, das lange auf der Kippe stand.
Dass ausgerechnet Götzes geniales Dribbling die Wende initiiert hatte, war Klopp am Ende unheimlich. "Uns ist schon bewusst, dass das ein super Junge ist", meinte er, "aber es wäre uns sehr, sehr recht, wenn sich die Medien im Interesse des Fußballs und im Interesse der Entwicklung beherrschen würden bei der Einschätzung solcher Dinge."
Aber auch Klopp herzte Götze besonders lange, als er ihn nach 85 Minuten auswechselte, und das Publikum feierte den Helden mit einer Standing Ovation. Götze war nach der Partie nicht zu sprechen, offenbar sind die Dortmunder ernsthaft besorgt, wegen des Hypes um den begabten Professorensohn. Vorige Woche hat Götze noch erklärt, "es ist gar nicht so einfach, das alles zu verarbeiten, aber zum Glück habe ich ja nicht viel Zeit". Das wird sich ändern. Es gibt keine englischen Wochen mehr. Die verbleibenden sechs Spieltage verteilen sich sauber auf die kommenden sechs Wochenenden.
Und da gebe es noch genügend Gelegenheit, den Vorsprung zu verspielen, hielt Klopp einem Journalisten entgegen, der vor einer Vorentscheidung im Titelrennen gesprochen hatte. Natürlich muss Klopp nach so einem Sieg ein wenig warnen und mahnen, doch die Art und Weise, wie der Tabellenführer sich gegen Hannover aus einer wirklich kniffeligen Situation befreien konnte, lässt wenig Raum für Träumereien beim Tabellenzweiten in Leverkusen. "Wer so zurückkommt, der hat es verdient, deutscher Meister zu werden", sagte Großkreutz, und wenn die Dortmunder sich ein wenig beeilen, dann darf bestimmt auch Dede noch mal ein paar Minuten mitspielen.
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