Borussia Dortmund gegen Bayern: Spitzenspiel? Von wegen
Beim Bundesligagipfel werden die Klubs noch einmal sehen, was sie an ihren früheren Trainern Tuchel und Guardiola hatten.
Als am 25. Mai 2013 mit Bayern München und Borussia Dortmund erstmals zwei deutsche Mannschaften im Finale der Champions League standen, galt dies als Triumph des deutschen Klubfußballs über den spanischen. El Pais titelte: „Adios Europa! Der Champion kommt aus Deutschland!“
Ein ähnliches Spitzenspiel, eine Art deutsches Clásico, ist jedoch nicht zu erwarten, wenn Bayern diesen Samstag in Dortmund aufläuft. In den Jahren nach dem Champions-League-Sieg erreichte nur noch der FC Bayern wenigstens das Halbfinale. 2015/16 war der seit dem Sommer 2013 von Pep Guardiola trainierte Rekordmeister vielleicht die beste Mannschaft Europas, scheiterte aber etwas unglücklich an Atlético Madrid.
Während seiner dreijährigen Amtszeit ließ Guardiola seine Bayern in diversen Systemen spielen, manchmal waren es in einem Spiel fünf oder sechs. Möglich wurde dies, weil viele Spieler auch mal in andere Rollen als die angestammte schlüpften oder diese variantenreich interpretierten. Bundestrainer Jogi Löw sagte über die Guardiola-Bayern: „Sie haben die Champions League zwar nicht gewonnen, unter ihm aber als Verein einen Schritt nach vorne gemacht.“
Ähnliches kann man auch über Thomas Tuchel sagen, der den BVB im Sommer 2015 übernahm, zu zwei Vizemeisterschaften und einem Pokalsieg führte und in der Champions League Real Madrid ein Remis abtrotzte. Beim BVB war der Fußball von Tuchels Vorgänger Jürgen Klopp Fußball spätestens 2014/15 an seine Grenzen gestoßen. Tuchel gelang überraschend schnell eine Reform des schwarz-gelben Spiels, das nun taktisch variabler wurde und – ähnlich wie das der Bayern – auf Dominanz und Ballbesitz setzte.
Fehlgriff Ancelotti
Als die Bayern Carlo Ancelotti als Guardiola-Nachfolger verpflichteten, dürften sie sich zwei Dinge gedacht haben. 1.: Der Italiener weiß, wie man die Champions League gewinnt. 2.: Nach drei extrem lernintensiven Jahren bedarf es eines entspannteren Übungsleiters, der die von seinem Vorgänger taktisch exzellent ausgebildete Mannschaft nur noch verwalten muss. Der Kicker beschrieb Ancelotti als einen Trainer, „der auf Bewährtes setzt, die Dinge, die laufen, gerne laufen lässt“.
Beim AC Milan und Real Madrid hatte dies funktioniert, nicht aber bei den mit weniger individueller Klasse bestückten Bayern. Um in Europa ganz oben mitzuspielen, benötigt Bayern einen Trainer, der die Mannschaft auf jeden Gegner akribisch einstellt und die Spieler weiterentwickelt.
Ancelotti war kein Guardiola. Was die Mannschaft sich unter dem Katalanen an Grundlagen angeeignet hatte, war nach wenigen Monaten aus Köpfen und Beinen verschwunden. Die Bayern wurden zwar Meister, scheiterten aber in der Champions League bereits im Viertelfinale.
Im DFB-Pokal versperrten ihnen Tuchels Dortmunder den Weg. Bei Bayern hat nun Jupp Heynckes als Ancelotti-Nachfolger die Dinge wieder einigermaßen in Ordnung gebracht. Wie stark unter Ancelotti geschlunzt wurde, dokumentieren die Berichte vom Training: Es wird wieder an den Basics gearbeitet – präzises Pass- und Positionsspiel, Ballannahme und -mitnahme.
Aber Heynckes wird die personell erneuerungsbedürftige Mannschaft kaum noch weiterentwickeln. Auf der „Sechs“ spielt nun wieder Martinez, während Guardiola hier mit Thiago anstelle eines „Rammbocks“ einen Kreativspieler bevorzugte.
Risiko Bosz
Beim BVB wurde mit Peter Bosz ein Freund des klassisch niederländischen Spiels Nachfolger von Tuchel. In der Liga startete man furios, aber vier der ersten sechs Gegner sind heiße Abstiegskandidaten. In der Champions League wurden der Mannschaft schon am ersten Spieltag die Grenzen aufgezeigt, als sie gegen Tottenham Hotspur 1:3 unterlag. Auch in der Bundesliga stehen Bosz’ Borussen manchmal ähnlich blank wie die Bayern in den ersten Wochen unter Guardiola – mit dem Unterschied, dass Letztere damals mit Neuer im Tor und Boateng, Lahm, Alaba und Martinez davor mehr Qualität besaßen.
Während Guardiola beim Spielaufbau einen Trichter formte, der bei Ballverlust ein Durchbrechen durch die Mitte verhinderte, steht Bosz’ Viererkette breit, erschwert das „Doppeln“ und bietet dem Gegner viel Raum. Will Bosz mit seiner Philosophie und Taktik Erfolge einfahren, benötigt er neues Personal. Vor allem aber Zeit. Sein Landsmann Ted von Leeuwen schrieb über ihn: „Wer Bosz wählt, entscheidet sich für ein Konzept mit einem gewissen Entwicklungsprozess. Man muss geduldig sein.“ Das aber kann man in Dortmund nicht sein.
Seitdem Guardiola und Tuchel nicht mehr dabei sind, werden die Defizite der Bundesliga deutlicher. Viele Teams bevorzugen statt eines ruhigen Spielaufbaus „Umschaltfußball“ – das Spiel „gegen den Ball“, der tief erobert wird, um dann schnell zu kontern, mit langen Bällen in den Lauf. Entsprechend setzt man eher auf Kämpfer und Sprinter als auf Kreativspieler.
Die Bundesliga ist insgesamt schlechter, als man glaubt. Es dominiert ein Spiel, das von Stress und Hektik geprägt ist, bei dem es zu vielen Abspielfehlern kommt und häufig das Prinzip Zufall regiert. Manchmal sagt das Abschneiden in der Europa League mehr über den Ligafußball eines Landes aus als die Champions League. Spanien war einige Jahre auch in der Europa League sehr gut. Die deutsche Bilanz in CL und EL nach 28 Spielen sieht anders aus: acht Spiele wurden gewonnen, 16, also mehr als die Hälfte, gingen verloren. Das Topspiel der Bundesliga an diesem elften Spieltag ist gewiss keine europäische Spitzenpartie.
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