Bootsunglück auf dem Mittelmeer: Leichen vor der Küste Libyens
Noch immer werden 150 Migrant*innen vermisst. Überlebende berichten von Toten im Wasser. Und Salvini verschärft die Strafen für Seenotretter.
Um die 300 Menschen sind am Donnerstag in zwei Booten von der libyschen Küstenstadt Al-Khums aus in Richtung Europa aufgebrochen. Als sie in Seenot gerieten, konnten lokale Fischer und die libysche Küstenwache laut Ärzte ohne Grenzen 135 Menschen retten und nach Al-Khums zurück bringen. Dort seien sie medizinisch versorgt worden. Viele von ihnen hätten unter Schock gestanden oder wegen der lange Zeit unter Wasser an Unterkühlung und Sauerstoffmangel gelitten.
Private Rettungsschiffe waren zur Zeit des Unglücks nicht auf dem Mittelmeer unterwegs. Ihnen wird das Retten von Menschenleben dort immer schwerer gemacht. Kurz vor der Tragödie vor der libyschen Küste hat Italien am Donnerstag horrende Strafen für private Seenotretter*innen auf den Weg gebracht: Bis zu eine Milliarde Euro soll zahlen, wer ein Schiff unerlaubt in italienische Hoheitsgewässer lenkt.
Schon seit Juni verhängt Italien in diesen Fällen Strafen von 10.000 bis 50.000 Euro. Kurz danach steuerte Carola Rackete mit der „Sea Watch 3“ auf Lampedusa. Nach Angaben von Sea Watch soll sie dafür 16.666 Euro Strafe zahlen. Dagegen hat Rackete Berufung eingelegt. Die Vereinten Nationen kritisierten Italien daraufhin. Das Recht auf Leben und der Grundsatz der Nichtzurückweisung sollten vor nationalen Rechtsvorschriften immer Vorrang haben, forderte etwa UN-Menschenrechtsexperte Felipe González Morales.
Überlebende kommen in libysche Auffanglager
Der neue Gesetzentwurf über höhere Strafzahlungen geht auf Innenminister Matteo Salvini zurück, der das Retten im Mittelmeer weiter erschweren will. Die Abgeordnetenkammer stimmte diesem mit großer Mehrheit zu, nun muss es noch durch den Senat bestätigt werden. Hier hat die Regierung aus Salvinis rechter Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung allerdings die Mehrheit. Das Dekret besagt weiter, dass Behörden die Schiffe in italienischen Gewässern konfiszieren dürfen.
„Das neue Schiffsunglück zeigt einmal mehr, wie dringend Rettungsschiffe im Mittelmeer benötigt werden“, sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. Außerdem äußerte er in einer Mitteilung ernsthafte Sorgen um die Überlebenden, die nun in libysche Internierungslager gebracht werden. „Alle Flüchtlinge und Migranten, die in Lagern in Libyen festgehalten werden, müssen dringend und umgehend aus diesen evakuiert werden.“
Laut UNHCR hat die libysche Küstenwache 84 der geretteten Migranten in das bei Tripolis liegende Internierungslager Tadschura gebracht. Dieses liegt in der Nähe des Frontverlaufs zwischen rivalisierenden libyschen Fraktionen. Bei einem Luftangriff Anfang des Monats wurden laut Ärzte ohne Grenzen 60 dort einsitzende Migrant*innen getötet, 70 wurden verletzt. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge