piwik no script img

Bonn kürzt das Wohngeld im Osten

Mieter in den neuen Bundesländern sollen 20 bis 80 Prozent weniger Wohngeld bekommen  ■ aus Berlin Clemens Heidel

Ostdeutschlands Mieter müssen aller Voraussicht nach künftig mit weniger Wohngeld rechnen. Sollte das gestern verabschiedete Wohngeld-Überleitungsgesetz den Bundesrat passieren, würden die Zuschüsse vom 1. Januar kommenden Jahres an um 20 bis 80 Prozent sinken, schätzt der Mieterbund. Mit der gestrigen Entscheidung reduziert der Bund seine bisherigen Zuschuß an die neuen Länder von bislang 160 Millionen um die Hälfe auf dann noch jährlich 80 Millionen Mark.

Nach wie vor läßt allerdings die von Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) seit über einem Jahr angekündigte Wohngeldnovelle für Ost und West auf sich warten. Statt der versprochenen Erhöhung der Miethöchstbeträge im Westen könnte durch den gestrigen Beschluß der Bundesregierung das Wohngeld ab dem 1. Januar 1997 auch in Ostdeutschland begrenzt werden. Genau wie in den alten Bundesländern spielen die Mietanteile, die über dieser Obergrenze liegen, dann für die Bemessung des Wohngelds keine Rolle mehr.

Töpfer rechtfertigte den Aufschub der Wohngeldnovelle gestern mit den in den letzten sechs Jahren gestiegenen Einkommen vieler Ostbürger. Daher sei es richtig, in Ostdeutschland nur noch einige Sonderregelungen beizubehalten. Diese gelten vor allem für Härtefälle. So sollen für Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen die Einkommensfreibeträge noch bis zum 31. Dezember 1998 erhalten bleiben.

Notwendig wird die Gesetzesänderung durch den unerwarteten Anstieg von Wohngeldanträgen. Mit 1,75 Milliarden Mark lagen die Ausgaben für das erste Halbjahr 1996 um drei Prozent höher als im Vorjahr. Die Mehrkosten verursachten allerdings nicht die einkommensschwachen Mieter im Osten. Dort sanken die Ausgaben für das Sonderwohngeld Ost vielmehr um drei Prozent auf 366 Millionen Mark.

Gestiegen sind die Kosten in den alten Bundesländern und in Westberlin: um fünf Prozent auf insgesamt 1,38 Milliarden in den ersten sechs Monaten. Für das gesamte Jahr rechnen Regierungskreise daher mit Wohngeldausgaben von über 3,3 Milliarden Mark. Im Bundeshaushalt sind nur 3,1 Milliarden vorgesehen.

Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft kritisierte den gestrigen Beschluß der Bundesregierung heftig. Die neuen Regelungen für Ostdeutschland seien zwar besser als das bisherige Wohngeldrecht im Westen. Dennoch würden die Mieter im Osten nach dem Auslaufen des Wohngeld-Sondergesetzes Ost erheblich schlechter gestellt.

Heftige Kritik kam auch von der SPD-Bundestagsfraktion. „Die längst überfällige Anpassung der Miethöchstbeträge für die alten Bundesländer wird es in naher Zukunft nicht geben“, erklärte ihr Fachmann in Mieterfragen, Achim Großmann. Statt dessen senke die Bundesregierung das bisher höhere Wohngeld Ost auf das „unzureichende Westniveau“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen