■ Bonn apart: Atemsteuer
Ein Witz. Es war nur ein Witz. Zum Glück hat es noch jemand rechtzeitig bemerkt und uns andere gewarnt. Sonst hätte es in allen Zeitungen gestanden – und dann wäre es so gewesen: Überall laufen die Menschen mit zusammengepreßten Mündern herum. Überall haben sie blau angelaufene Gesichter. Überall liegen Hunderte Leichen herum, so viele, daß die Bestattungsunternehmen mit dem Aufräumen gar nicht mehr nachkommen.
Aber es gäbe auch gute Seiten: Es läge so ein Friede über den Straßen und Plätzen. Kaum noch jemand, der rempelt und drängelt. Kaum einer, der einer Straßenbahn hinterherrennt. Kaum wilde Rollerbladers und Fahrradfahrer. „Bloß nicht zuviel bewegen“ hieße die Devise. Und selbst über die reichen Protze, die weiter ihr schnelles, ungezügeltes Leben führten, würden wir uns freuen. Die müßten nämlich besonders viel blechen. Klar doch. Weil, wer sich viel bewegt, atmet viel – und atmen kostet Geld. Weil doch jetzt die Atemsteuer erlassen werden soll. Das kündigte jedenfalls Rudolf Dreßler an. Der muß es wissen, er ist gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Das verwunderte zunächst weiter nicht. Schließlich ist die Regierung verzweifelt auf der Suche nach Steuereinnahmen, um die Steuervergünstigungen für Landwirte, Autofahrer, Chemieunternehmer bezahlen zu können. Und welche Steuer wäre wohl effektiver? Schließlich muß jeder atmen. Man kann auch nicht mal eben rüber nach Luxemburg, um dort Atem zu tanken. Und wenn jemand behauptet, er werde eigentlich gar nicht atmen – macht nichts. Der würde dann als Wesen von einem anderen Stern eingebuchtet und das brächte gleich doppelt was ein: Aliensteuer und Gefängnissteuer.
Das beste aber: Es gäbe keine Lobby, die gegen die Atemsteuer kämpfen würde. Oder hat schon mal jemand von einem Verband der Atmer gehört? Oder von einem Verband zur Wahrung der Interessen behinderter Atmer?
Aber das mit der Atemsteuer war ja nur ein Witz. Anders übrigens als der Vorschlag des Sportausschuß-Chefs Friedhelm Julius Beucher. Der will eine Sonderabgabe für Sport- Millionäre einführen. Gute Idee eigentlich. Der Nachteil wäre nur, daß uns fortan Monaco in allen Medaillenspiegeln den Rang ablaufen würde – mit deutschen Sportlern. Die Sonderabgabe müßte daher modifiziert werden. Wer ist es denn, der uns bei Fußball-Länderspielen durch seine aufreizend lässige, träge Art auf die Palme bringt? Richtig! Wir fordern daher eine Mario-Basler-Steuer. Markus Franz
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