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■ Bonn: Wehrbeauftragte stellt ihren Jahresbericht vorPersilschein für die Bundeswehr

Es ist nicht zu erwarten, daß die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Claire Marienfeld, ausgerechnet im Wahljahr dem Verteidigungsminister in den Rücken fällt. Wenn sie aber, wie jetzt geschehen, die Vorlage ihres Jahresberichts zu einer Ergebenheitsadresse an den Minister nutzt und dessen umstrittenste Äußerungen auch noch zuspitzt, dann stellt sie ihre Unabhängigkeit zur Disposition. Claire Marienfeld hat gestern ihr Ansehen und damit ihr Amt beschädigt.

Volker Rühe begründet rechtsextremistische und fremdenfeindliche Vorfälle bei der Bundeswehr schlicht damit, daß die Streitkräfte eben ein Spiegelbild der Gesellschaft seien. Das reicht der Wehrbeauftragten noch nicht. Ihrer Ansicht nach zeigen 177 Verdachtsfälle bei 340.000 Soldaten, daß „die Gewaltbereitschaft in der übrigen Gesellschaft noch höher ist als in der Bundeswehr“. Wenn sie recht hätte, müßten in Deutschland im letzten Jahr etwa 40.000 derartige Straftaten registriert worden sein. Davon kann gottlob keine Rede sein.

Claire Marienfeld hat außerdem die „Bemühungen“ des Ministeriums ausdrücklich anerkannt, „die zutage getretenen Gefahren für den Geist der Truppe zu analysieren“. Wo, bitte, ist das geschehen? Hat der Verteidigungsminister sich nicht im Gegenteil stets ausdrücklich gegen eine sozialwissenschaftliche Untersuchung der Bundeswehr gewandt?

Da, wo die Wehrbeauftragte in politischer Hinsicht Grund zu Sorge sah, wird ihrer Ansicht nach schnell gehandelt. So sei zwar bei der Traditionspflege die gebotene Distanz zur Wehrmacht nicht immer beachtet worden. Mittlerweile aber, so glaubt sie, würde sich ein Besuch von Traditionsräumen „vermutlich gar nicht lohnen“. Die seien inzwischen gewiß alle durchforstet worden. Defizite in der politischen Bildung führt Claire Marienfeld auf mangelhaften Schulunterricht zurück. Die in jüngster Zeit erkennbar gewordene Kameraderie des Schweigens läßt sie nicht befürchten, daß es um die Zivilcourage bei den Streitkräften schlechter bestellt ist als früher. Ein Persilschein für die Bundeswehr.

Rühe reicht all das nicht. Er hat die Wehrbeauftragte scharf für ihre Äußerungen kritisiert, die Bundeswehr wahre nicht immer die gebotene Distanz zur Wehrmacht. Angesichts all dessen, was Claire Marienfeld gestern gesagt hat, scheint es sich bei diesem Geplänkel jedoch eher um eine geschickt inszenierte Rollenverteilung als um eine echte Meinungsverschiedenheit zu handeln. Bettina Gaus

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