Bomben auf den Libanon: Verzweifelt auf der Flucht
Israel greift am Mittwoch auch christlich geprägte Gegenden im Libanon an. Erstmals fliegt eine Rakete der radikal-islamischen Hisbollah auf Tel Aviv.
![Ein Löschflugzeug fliegt über ein Waldgebiet und wirft Löschwasser ab. Ein Löschflugzeug fliegt über ein Waldgebiet und wirft Löschwasser ab.](https://taz.de/picture/7262760/14/36604360-1.jpeg)
Seit Montag greift das israelische Militär den Libanon massiv an. Die schweren israelischen Angriffe trieben Tausende Menschen zur Flucht. Eine halbe Million Menschen soll aus dem Süden des Landes geflohen sein; Tausende versuchen, Richtung Syrien zu fliehen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gibt an, Libanes*innen sowie Syrer*innen würden verzweifelt in Autos an der Grenze stehen. Viele kämen auch zu Fuß an, darunter auch Frauen und kleine Kinder. Einige seien bei den Angriffen verletzt worden.
Wie am Mittwochabend bekannt wurde, hat Israels Armeechef Herzi Halevi seine Soldaten aufgefordert, sich auf ein „mögliches Eindringen“ in den Libanon vorzubereiten. „Wir greifen den ganzen Tag an. Zum einen, um den Boden für einen möglichen Einmarsch vorzubereiten, zum anderen aber auch, um die Hisbollah weiter anzugreifen“, sagte er laut einer Erklärung am Mittwoch bei einer Panzerbrigade.
Kommunen, Organisationen und Privatleute organisieren derweil Hilfsunterkünfte, kochen Essen und sammeln Spenden für Geflüchtete. Medienberichten zufolge würden Syrer*innen in den Behelfsunterkünften abgewiesen. Mehr als 1,5 Millionen Syrer*innen leben im Libanon, die meisten von ihnen sind einst vor dem Krieg in ihrem Heimatland in den Libanon geflüchtet.
„Meine Tante musste aus ihrem Haus fliehen, weil Israel ein Nachbarhaus bombardiert hat, in dem geflohene Familien Zuflucht gefunden hatten“, sagt Farah Hijazi übers Telefon. Die Familie der 27-jährigen Libanesin lebt im Dorf Joun, rund 50 Kilometer von der Grenze mit Israel entfernt. Die Frau wohnt in Mainz, der Kontakt mit ihrer Familie ist durch die Angriffe abgebrochen. „Meine Eltern leben in einem Gebiet mit christlicher Mehrheit. Mein Cousin, der schwul ist und zur LGBTQ-Community gehört, musste aus seinem Haus fliehen, weil es von Israel angegriffen wurde. Wie kann man all diese Menschen als Terroristen bezeichnen?“
Auch christlich geprägte Gebiete betroffen
Israels Militär erklärt, es ziele bei Angriffen auf die Infrastruktur des militärischen Arms der Hisbollah, etwa auf Waffenlager. Die Miliz verfügte vor Beginn des jüngsten Gazakrieges über schätzungsweise 150.000 Raketen.
Israel beschuldigt die Hisbollah, Waffen in Wohngebieten zu verstecken und dort Raketen herzustellen. Der libanesische ehemalige Armeebrigadier Wehbe Katischa bestätigte gegenüber der dpa, dass die wichtigsten Waffendepots der Miliz „zwischen Häusern und in gebirgigen Gebieten in der Nähe von Wohnhäusern“ seien.
Am Mittwoch trafen israelische Raketenangriffe auch christlich geprägte Gegenden im Chouf-Gebirge und im Dorf Maaysa nördlich von Beirut. Der Ort wird mehrheitlich von Schiiten bewohnt, liegt aber in einer hauptsächlich von Christen bewohnten Berggegend. Der Libanon ist stark konfessionell geprägt. In mehrheitlich christlich geprägten Gegenden haben dementsprechend christliche Parteien die Macht – und nicht die Hisbollah. Auch der Südlibanon wurde weiter bombardiert.
Zuvor hatte die Hisbollah am Mittwochmorgen Dutzende Raketen auf Israel abgefeuert. Eine davon zielte nach Darstellung der Hisbollah auf das Hauptquartier des israelischen Geheimdienstes Mossad nördlich von Tel Aviv. Das Geschoss wurde laut israelischem Militär abgefangen, die Abschussrampe im Libanon zerstört. In Tel Aviv und anderen Städten im Zentrum Israels heulten Sirenen. Bei Angriffen der Hisbollah auf den Norden Israels wurden zwei Personen verletzt, eine davon schwer.
Die Außenminister von Ägypten, Jordanien und Irak forderten am Mittwoch das Eingreifen des UN-Sicherheitsrats. Sie warfen der israelischen Regierung vor, die gesamte Region in einen Krieg zu drängen. Um das zu verhindern, müsse auch die „israelische Aggression“ im Gazastreifen ein Ende finden.
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