Börsengang von Zalando: „Die Anleger sind gierig“
Nun startet Zalando an der Börse, die Nachfrage nach Aktien ist groß. Anlegerschützer Daniel Bauer warnt davor, den Online-Modehändler zu überschätzen.
taz: Herr Bauer, der Bekanntheitsgrad von Zalando soll bei 98 Prozent liegen und die Nachfrage von Privatanlegern nach Aktien groß sein. Würden Sie einen Aktienkauf empfehlen?
Daniel Bauer: Sowohl die Chancen als auch das Verlustrisiko sind bei einem Kauf von Zalando-Aktien hoch. In der Vergangenheit war das Unternehmen nicht immer profitabel. Knackpunkt des Geschäftsmodells sind die kostenlosen Rücksendungen. Damit sichert es sich natürlich einen größeren Marktanteil, trägt aber gleichzeitig ein hohes Risiko. Mir erscheint die Bewertung der Aktien eher zu hoch. Aber wie sich die Gewinne des Unternehmens und somit der Kurs in der Zukunft entwickeln, kann niemand sagen. Auch bei Facebook oder Google hätte ich anfangs eher abgeraten zu kaufen – und man sieht ja, was daraus geworden ist.
Auch Facebook wird mit einem Vielfachen seines Jahresgewinns gehandelt. Oder Twitter: Macht keinen Gewinn, ist trotzdem an der Börse Milliarden wert. Bahnt sich da eine Blase an?
Ich würde nicht generell von einer Blase sprechen, auch wenn vor allem bei Internetunternehmen die Bewertungen aktuell sehr, sehr hoch sind. Das Problem ist: Viele Anleger tendieren dazu, den Erfolg von einer Handvoll Unternehmen auf die breite Masse zu projizieren. Also: Weil Google erfolgreich ist, wird jetzt auch Zalando erfolgreich. Aber quantitativ gesehen sind es immer deutlich mehr Unternehmen, die scheitern.
Woher kommt diese Fehleinschätzung?
Es ist die Gier. Dass sich die Mehrzahl der Unternehmen eher wie Lycos Europe entwickeln und ein Großteil des investierten Geldes dann weg sein kann, das blenden Anleger gerne aus.
Der Börsengang von Rocket Internet, genau wie Zalando ein Unternehmen der Samwer-Brüder, wird eine Woche vorgezogen und startet kurz nach Zalando. Können Sie sich die Verschiebung des Termins erklären?
Der Online-Modehändler Zalando verkauft die Aktien bei seinem Börsengang trotz großer Nachfrage nicht zum maximalen Preis. Die 28,1 Millionen Zalando-Papiere würden zu je 21,50 Euro ausgegeben, teilte das Berliner Unternehmen am Montagabend mit. Zalando hätte nach eigenen Angaben selbst zum Höchstpreis von 22,50 Euro mehr als 280 Millionen Aktien losschlagen können, zehnmal so viele wie die Firma ausgeben will.
Insgesamt nimmt Zalando 605 Millionen Euro ein und ist damit – wenn auch nur für einen Tag – der größte Börsengang in diesem Jahr in Deutschland. Das erst 2008 gegründete Unternehmen wird zum Ausgabepreis mit rund 5,3 Milliarden Euro bewertet. Doch Börsenspekulanten wetten zu der für den Mittwoch geplanten Erstnotiz auf weiter steigende Kurse.
Die offizielle Begründung ist, dass die Nachfrage so groß ist und man doch weniger Zeit braucht, um Anleger zu gewinnen. Ich gehe davon aus, dass die Begründung zutrifft.
Rocket Internet startet in einem Börsensegment, das den Unternehmen wenig Transparenz abverlangt. Was heißt das für Anleger?
Das Unternehmen muss beispielsweise keine ausführlichen Quartalszahlen vorlegen. Anleger haben so keine Chance, frühzeitig zu erfahren, wenn etwas nicht gut läuft. Damit steigen die Risiken deutlich. Denn in einem Jahr kann viel passieren. Zumal auch der Jahresbericht nicht so umfangreich sein muss wie im Prime Standard, einem Börsensegment, das mehr Transparenz verlangt.
Also eher: Vorsicht?
Ja, definitiv. Aber auch hier ist keine Aussage über die zukünftige Kursentwicklung möglich. Denn wenn nur eine der von Rocket gegründeten Firmen sehr gut laufen sollte, könnte das Unternehmen wieder um ein Vielfaches mehr wert sein als aktuell. Aber es kann genauso gut sein, dass alle scheitern und Rocket somit wertlos sein würde.
Worauf sollten Privatanleger, die Akten kaufen wollen, grundsätzlich achten?
Die erste Frage sollte immer sein: Verstehe ich das Geschäftsmodell? Die zweite: Kenne ich das Unternehmen? Es gab zum Beispiel immer wieder chinesische Unternehmen, die in Deutschland an die Börse gegangen sind, aber überhaupt nicht existiert haben. Das ist Betrug. Dritter Punkt sind die Finanzkennzahlen, zum Beispiel die Eigenkapitalquote und die Cashflow-Rechnung, um zu schauen, ob das Unternehmen tatsächlich Geld verdient. Wer dann noch einen Blick auf das Management wirft, etwa unter dem Aspekt, ob die Aktionäre fair am Gewinn beteiligt werden, hat eine ganz gute Basis.
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