piwik no script img

Blutige Anschläge in NigeriaTerror als Mittel der Politik

Zwei Anschläge in der Stadt Kaduna forderten am Mittwoch über 80 Tote. Beginnt so der Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahl?

Überlebende der Anschläge im Militärkrankenhaus von Kaduna. Bild: reuters

ABUJA taz | Es sah nach zwei persönlichen Botschaften aus. Die beiden Bomben vom Mittwochnachmittag in der nordnigerianischen Millionenstadt Kaduna – sie rissen mehr als 80 Menschen in den Tod – explodierten nicht auf einem belebten Markt oder mitten auf einem Busbahnhof, wie dies die islamistische Gruppe Boko Haram zuletzt öfter getan hat. Stattdessen richteten sie sich, wie Augenzeugen bestätigen, explizit gegen den stadtbekannten Imam Dahiru Bauchi sowie gegen den einstigen Militärherrscher Muhammadu Buhari, heute Führer des größten nigerianischen Oppositionszusammenschlusses All Progressives Congress (APC) und damit wichtigster politischer Widersacher von Staatschef Goodluck Jonathan.

Über die Webseite seiner Partei ließ Buhari wenige Stunden später verkünden: „Als wir den Markt von Kawo erreichten und wegen des dichten Verkehrs langsam fahren mussten, wurde mein Auto gerammt. Dann explodierte die Bombe.“ Doch der Politiker und auch Imam Bauchi entkamen unverletzt.

In Nigeria wird überwiegend davon ausgegangen, dass Boko Haram für die Anschläge verantwortlich ist. Bekannt hat sie sich jedoch bisher noch nicht dazu.

Jetzt herrscht in Kaduna eine totale Ausgangssperre, 24 Stunden am Tag. In der Stadt, die 2000 und 2002 sowie nach den Wahlen 2011 von massiver Gewalt zwischen Christen und Muslimen erschüttert worden ist, wird diese Maßnahme schneller verhängt als anderswo. Die Stadt Kaduna sowie der gleichnamige Bundesstaat gelten als besonders anfällig für Ausschreitungen. Bisher, so berichten Augenzeugen, sei alles ruhig geblieben.

Kaduna, eine Vielvölkerstadt

Kaduna wird gern als Nigeria im Kleinen bezeichnet. Viele Politiker – nicht nur Oppositionsführer Buhari, sondern auch Nigerias Vizepräsident Namadi Sambo – stammen aus der Stadt und besitzen dort Häuser. Früher war Kaduna das politische Machtzentrum des Nordens. Aber obwohl auch dort wie in allen Bundesstaaten Nordnigerias die Scharia gilt, wirkt der Bundesstaat Kaduna wesentlich liberaler und offener als die übrigen.

Dass jetzt ausgerechnet zwei Prominente Ziel von Anschlägen wurden, hat für Muhammad Nuru Khalid, Hauptmann der Apo Legislative Quarters Mosque in der Hauptstadt Abuja, einen Grund: „Es gibt Menschen, die wollen, dass der Konflikt eskaliert und Nordnigeria brennt.“ Dabei sagte Olajumoke Akinjide, Ministerin für die Hauptstadt, etwa zeitgleich am Mittwochnachmittag bei einem Treffen mit der Initiative #BringBackOurGirls noch, Nigeria habe den Willen, die Mittel und die Strategien, um den Kampf gegen Boko Haram zu gewinnen. Keine 24 Stunden später sagt nun die Regierungspartei PDP (People’s Democratic Party), jeder könne Opfer werden.

2015 wird ein neuer Präsident gewählt

Für Buharis Parteienbündnis APC dürfte dieses Eingeständnis ein gefundenes Fressen sein. Denn in Nigeria stehen Wahlen an: Im Frühjahr 2015, also in nur etwas über einem halben Jahr, wird ein neuer Präsident gewählt. Der Vorwahlkampf tobt bereits. Jonathan, der aus dem Niger-Flussdelta im Süden des Landes stammt, kann laut Verfassung wiedergewählt werden, aber der Widerstand dagegen im Norden ist groß, und der Präsident müsste erst die parteiinternen Vorwahlen gewinnen.

Der Doppelanschlag von Kaduna zeigt aus der Sicht der Opposition einmal mehr, dass die Regierung versagt hat, ebenso ihr glückloses Vorgehen gegen Boko Haram in den letzten Monaten. Bola Tinubu, ehemaliger Gouverneur von Lagos und ebenfalls APC-Führungsmitglied, sagte am Mittwochabend, Präsident Jonathan habe Vorschläge in Sachen Terrorismusbekämpfung ignoriert. Die Zukunft Nigerias stehe im Zeichen von Unsicherheit und sei gefährdet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!