piwik no script img

Blockupy in FrankfurtErster Klasse in die Polizeiblockade

Tausende AktivistInnen sind in Frankfurt eingetroffen. Dort soll es am Mittwoch massenhaften zivilen Ungehorsam geben.

Besucher vor dem EZB-Gebäude werden mit Nato-Draht willkommen geheißen. Bild: dpa

FRANKFURT AM MAIN taz | Sie sitzen auf roten Plüschsitzen, arg retro, und haben noch gar nicht bemerkt, dass dies die erste Klasse ist. Außen an dem nostalgischen Zug steht „Centralbahn - Sonderzug". Dies ist er also, der Sonderzug nach Frankfurt, zum Blockupy-Protest.

Knapp 900 Menschen sind am Nachmittag in Berlin losgefahren - und sollten im Laufe der Nacht ihr Ziel in Frankfurt erreichen. Und jetzt, wo einigen von ihnen auffällt, dass sie im Premiumabteil gelandet sind, deutet sich ein kleiner Klassenkonflikt an. Ein Student - in der Hand einen Bierbecher mit Antifa-Logo - sagt: „Entweder alle erste Klasse oder niemand erste Klasse!" Jetzt hat er den Salat. Was soll er tun? Ach, egal. Besser erstklassig nach Frankfurt als gar nicht.

Dort werden am Mittwoch große Proteste erwartet - und geht es nach den Darstellungen der Polizei, dann muss die Stadt angeblich heftigste Ausschreitungen befürchten. Rund um die Europäische Zentralbank hat die Polizei ein riesiges Sperrgebiet errichtet - und weil ihr das nicht reichte, haben die Beamten rund um die massiven Barrikaden noch sogenannte „Distanzzonen" auf die Straßen gemalt.

Diese Zonen machen den Polizisten abermals das Leben leichter - sie markieren einen Bereich rund um die von der Polizei ohnehin massiven Barrikaden, in denen sich Demonstranten nicht aufhalten dürfen. Damit will die Polizei offenbar die Einsatzschwelle senken, um gegen Demonstranten vorzugehen, die sich den Polizeibarrikaden nähern.

Blockade durch die Polizei

In den vergangenen Tagen hatte die Polizei immer wieder die Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Ausschreitungen betont. Das Blockupy-Bündnis, das zu friedlichen Sitz-, Steh- und Tanzblockaden nach Frankfurt ruft und damit die Zone rund um die Europäische Zentralbank lahmlegen will, hatte immer wieder betont, dass von den geplanten Blockadeaktionen keine Gewalt ausgehen werde. Es fühlt sich kriminalisiert. Noch am Dienstag hatte sich Frankfurts Polizeipräsident in einer Videobotschaft an die Demonstranten gewandt und sie um Besonnenheit gebeten.

Die Behörden werden am Mittwochabend auch zu rechtfertigen haben, ob einer der größten Polizeieinsätze der Frankfurter Stadtgeschichte berechtigt war - oder ob es nicht viel mehr die massiv agierenden Behörden selbst waren, die die Frankfurter Innenstadt schon ganz ohne das Zutun von Demonstranten blockiert haben.

Bis zum Dienstagabend jedenfalls konnte die Polizei keine größeren Vorfälle melden. Lediglich bei einer Kontrolle seien einige Dosen Pfefferspray gefunden worden, sagte ein Polizeisprecher. Via Twitter gibt es derweil Berichte von betroffenen Demonstranten, die aufgrund von Vorkontrollen bei der Anfahrt von Polizeikräften aufgehalten worden waren - so geschehen bei einem Bus, der in Rom zu den Protesten gestartet ist.

Das heißt: Die Protestmaschine ist angelaufen. Erst im Laufe der Nacht jedoch wird der Großteil der anreisenden Demonstranten aus zahlreichen deutschen und europäischen Städten eingetroffen sein. Ab dem frühen Mittwochmorgen soll dann der massenhafte zivile Ungehorsam in Frankfurt beginnen. Für den Mittag und den Nachmittag sind schließlich zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen im Frankfurter Stadtgebiet geplant.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • P.S.: An all jene, die in Ffm als ‘Agents provocateurs’ mitgewirkt haben: Das habt Ihr mal wieder ganz im Sinn der dunklen Lords hinbekommen. Chapeau!

    • @rico sack:

      Komisch das das keinem auffiel ;-)

      Die ZEIT schreibt: "Bei den Ausschreitungen in Frankfurt am Main gibt die Mehrheit der friedlichen Demonstranten den Gewalttätern Deckung". (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-03/ezb-blockupy-frankfurt-proteste-reportage)

      • @Arcy Shtoink:

        Warum sollen sich friedliche Demonstranten anders benehmen wie friedliche Polizisten.

         

        Ich habe auch auf keiner Demo bislang gesehen, dass ein Polizist auf einen brutalen Polizisten losging. Die decken sich auch untereinander. Nix anderes machen die Demonstranten in so einer Situation. Letztlich ist das auch eine Frage der Solidarität und der Vorgehensweise.

        Stellen Sie sich vor, die Polizei würde sich untereinander prügeln. Das wäre auch das gleiche Chaos, wie wenn dies die Demonstranten machen würden.

  • Gratulation!

     

    Vereint habt Ihr Deutschland und Europa einen Schritt näher an den Abgrund des nächsten Faschismus gebracht. Jedem gutwilligen Menschen, der auf seine bescheidene aber ausdauernde Art an der Veränderung der extrem widersprüchlichen Verhältnisse arbeitet, habt Ihr mit Eurer Gewaltorgie ins Gesicht geschlagen.

     

    Solche hirnverbrannten Aktionen wie Eure, treiben die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung direkt in die Arme der “Durchgreifer” und “Ordnungsschaffer”. Statt Eure Wut zu kanalisieren und in produktive Bahnen zu lenken, liefert Ihr Argumente für CSU, Pegida und die übrige Ultrarechte.

     

    Eine breite Aufklärung über das destruktive Potenzial des Finanzkapitalismus ist bitter nötig, um ein allgemeines Umdenken anzuschieben. Daran mitzuwirken, wäre eigentlich auch Eure Aufgabe. Und Ihr ermöglicht denen da oben, mit der Angst vor EUREN zerstörerischen Kräften Politik zu machen.

     

    Gegen solche Vollhorste ist sogar Bohnenstroh ein Nobelpreisträger.

  • Die Bonzen schotten sich immer weiter ab, die Staatsgewalt verkauft sich an die selbigen.

  • Man erinnert sich über die mokierten Beiträge von Journailisten aus der BRD, wenn die DDR-Granden abgeschirmt wurden. Dies galt als typisch für das Verhalten einer Diktatur.

    Das was hier oder bei G7 aufgefahren wird ist Bundeslige. Die DDR war 3. Kreisklasse dagegen.

    Allerdiings hier geht es auch um Grundrechte, näämlich die des Kapitals.

    • @arnsloth:

      Richtig. Die Diktatur des Kapitals ist längst Realität. So mancher checkt es nur noch nicht ganz, weil dieser Diktator kein eigenes Gesicht mehr hat.

    • @arnsloth:

      Wieso abgeschirmt? Demonstrationen gabs doch dort gar nicht.

  • Ziviler Ungehorsam, Reisedemonstranten, Protestler und artikulationsschwache Gewaltliebhaber.

     

    Wer sich das verfassungsverbriefte Demontrationsrecht als persönlich geschütztes Gewaltrecht definiert, der sollte -bitteschön- jede nur mögliche Konsequenz erfahren.

    • @adagiobarber:

      Andere brechen die Menschenrechte, ohne juristisch belangt zu werden. Da kann es schon mal zu Gegenreaktionen kommen.

  • Wenn es ums Blockieren geht, sollten sich die Demonstranten bei der Polizeit bewerben. Riesige Staus zieren das Rhein-Main-Gebiet und bei weitem nicht nur die Frankfurter Innenstadt. Die A661 ist an dieser Stelle komplett gesperrt. Warum? Nur wegen dieser Luxusfeier auf unser aller Kosten offenbar.

     

    Eine Politik, die ein solches Aufgebot an Polizeistaat braucht, um sich vor den eigenen Bürgern zu schützen, darf wohl an ihrer demokratischen Legitimation zweifeln.

    • @Jalella:

      Ich bin mir sicher dass die Blockupy-Aktivisten heute ganz konkret und unmißverständlich zeigen werden wie sie zum Gewaltfreien Protest stehen.

      Für den nur theoretisch denkbaren Fall dass es zu Ausschreitungen und Vandalismus kommt müssen wir bei der Bewertung sehr vorsichtig und differenziert vorgehen, immerhin handelt es sich hier um "Gewalt für einen guten Zweck" und sollte daher nicht überbewertet werden. Immerhin geht es gegen die richtigen und da zeugt es lediglich von den hohen moralischen Standards wenn man auf alles und jeden einschlägt was einem gerade ins Visier kommt.

      • @Questor:

        Setzen Sie in Ihren Text "Polizei" ein ! Die Antagonisten sind wohl

        austauschbar. Letzteres passt auch viel besser zum Visier, das diese ja wirklich tragen.

  • Prognose: Ich denke wir werden im Laufe des Tages alle sehen können, dass brennende Autos und demolierte Geschäfte die rein defensive Reaktion friedlicher Demonstranten auf übergriffiges Polizeiverhalten gewesen sein wird.

    • @arunto:

      Alle in einen Sack und drauf. Agent Provocateure haben zu dem und bei Ihnen leichtes Spiel.

      • @lions:

        Wenn das alles Provokateure sind: Warum distanziert Ihr Euch dann nicht von denen?

        Die Chaoten hätten keine Chance, wenn die Mehrheit der friedlichen Demonstranten sich von der Minderheit der Chaoten klipp und klar abgrenzen würden.

        Und dann würden die Medien nicht über Gewalt und Sachbeschädigung berichten, sondern über die Ziele und die Ideen der Demonstranten.

        • @Martin74:

          "Wenn das alles Provokateure sind" , wo steht das ?

      • @lions:

        Durchaus nicht "alle in einen Sack". Nur ist das Problem leider hausgemacht: Blockupy weigert sich, sich von gewaltbereiten Chaoten abzugrenzen. Im Ergebnis führt das dazu, dass die richtige und wichtige Botschaft des Protests überdeckt wird durch die Bilder der dumpfen/dummen Gewalt. Und das alles NUR der Polizei zuzuschieben, glaubt halt (fast) keiner mehr.