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Blockaden der „Letzten Generation“Und wieder schäumt der Autofahrer

Auch am Donnerstag protestieren Ak­ti­vis­t*in­nen in Berlin mit Sitzblockaden an Autobahnen für mehr Klimaschutz. Bisher gibt es keine Anklagen.

Da braucht die Polizei Fingerspitzengefühl: Protest in Berlin am Mittwoch Foto: Christian Mang/reuters

Berlin dpa/taz | Klimaschutz-Aktivisten haben auch am Donnerstag ihre Straßenblockaden in Berlin fortgesetzt. Die Verkehrsinformationszentrale twitterte am Morgen von einem langen Stau und „massiver Verkehrsstörung“ auf der Stadtautobahn im Norden zwischen Charlottenburg und Seestraße. Auch der Busverkehr sei dort unterbrochen. Auch an weiteren Stellen an der Seestraße und am Siemensdamm wurde blockiert, sagte eine Polizeisprecherin. Insgesamt beteiligten sich mindestens 30 Demonstranten.

Die Gruppe „Letzte Generation“ blockiert seit knapp drei Wochen fast jeden Morgen Autobahnausfahrten im Berliner Stadtgebiet. Viele Demonstranten kleben ihre Hände an der Straße fest, um zu verhindern, dass die Polizei sie schnell wegräumt. Bereits von Januar bis März hatten die Demonstranten immer wieder Autobahnausfahrten blockiert.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD) hatten die Blockaden mehrfach kritisiert und von Straftaten gesprochen. Spranger hatte gesagt, sie erwarte, dass die Justiz zu Anklagen und Verurteilungen komme.

Polizei und Justiz tun sich aber mit der Strafverfolgung schwer. Die Polizei nahm seit Januar zwar Hunderte Anzeigen wegen Nötigung und Widerstands auf, bei der Staatsanwaltschaft werden bislang 73 Ermittlungsverfahren bearbeitet. Wie ein Behördensprecher am Mittwoch auf Anfrage mitteilte, beziehen sich diese Fälle alle auf Straßenblockaden im Januar. Bei der Polizei gebe es zudem Hunderte Strafanzeigen.

Die Polizei nahm seit Januar zwar Hunderte Anzeigen auf; die Entscheidung über eine mögliche Anklage steht aber noch aus.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft konnte jedoch noch in keinem der Verfahren eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob Anklage erhoben wird. Voraussetzung dafür seien abgeschlossene Ermittlungen der Polizei. Die müsse aber noch wichtige Punkte klären.

Kritik von Generalstaatsanwältin an Innensenatorin

Generalstaatsanwältin Margarete Koppers sagte, ihre Behörde habe der Polizei bereits im Frühjahr erläutert, woran es bei den Ermittlungen fehle und zu welchen Punkten Nachermittlungen erforderlich seien. Sie verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Autobahnblockaden. „Über den Anfangsverdacht, die Notwendigkeit und Intensität von Ermittlungen sowie die Anklagereife entscheidet die Staatsanwaltschaft, und zwar nach Recht und Gesetz und nicht nach politischen Wunschvorstellungen“, betonte Koppers mit Blick auf Forderungen aus der Politik – unter anderem der SPD-Innensenatorin – nach schnellen und härteren Strafen.

„Es geht um schwierige Rechtsfragen“, erläuterte Oberstaatsanwalt Holger Brocke, zuständiger Abteilungsleiter für die Verfahren. Von Bedeutung sei etwa, wie viele Menschen sich beteiligt hätten, wie lange die Aktionen gedauert hätten und ob es Ausweichmöglichkeiten für Autofahrer gegeben habe. Relevant sei aber auch, wann und wie festgeklebte Personen von der Straße gelöst worden seien. Insbesondere in den Anfangszeiten seien derartige Details von den Polizisten vor Ort noch nicht erfasst worden. „Ihnen ging es zunächst darum, die Leute von der Straße zu holen.“

Bei den Tatvorwürfen handelt es sich laut Staatsanwaltschaft in der Regel um Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. In einigen wenigen Fällen gehe es auch um den Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

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5 Kommentare

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  • Berliner Autofahrer ist kein Substantiv. Es ist eine Diagnose.

  • Laufen eigentlich schon Klagen gegen Autofahrer wegen gefährlichen Eingriffs in das Weltklima...?

  • Herr Brocke gehörte dem Team an, dass das Verfahren gegen Frau Koppers wegen der Schießstandaffaire zur Einstellung gebracht hat.

    Mein Tipp, in diesem Bereich wird es in Berlin niemals zur Anklage kommen.

    Berlin verkommt zum Aktivisteneldorado.

    Für einen Autofahrer, der im Stau steht gibt es keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Daher könnte man auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu einer Rechtswidrigkeit kommen (wenn man den wollte).

  • Traurig, mit anzusehen, dass täglich Leute mit ihrem Arsch an Blechkisten festkleben und dadurch andere behindern. 124 Stau-Stunden im Jahr genießen Autofahrer in Berlin. Wenn die 125. Stunde durch eine Demo verursacht wird, ist die Aufregung groß.

    • @Sonnenblumen:

      Welche Aufregung?

      Wenn Sie nicht direkt vor den Demonstranten stehen, wissen Sie sowieso nicht, warum Stau ist.

      Willkürlich und unrechtmäßig behindert zu werden, ärgert eben den einen oder die andere.

      Geht aber Radfahrern, Fußgängern und ÖPNV-Nutzern nicht anders.

      Was glauben Sie, was die S-Bahnfahrer von sich gegeben haben, als irgendwelche Aktivisten ihr wieder den Strom "abgedreht" haben.