Bleiberecht in Bremen: Das Warten soll ein Ende haben
Mit zwei Erlassen will die Bremer Koalition Geflüchtete aus der Kettenduldung holen. Ob das mit Bundesrecht vereinbar ist, ist noch unklar.
Gleich zwei Anträge haben die Fraktionen gestellt, die im Juli in der Bürgerschaft behandelt werden: Der eine soll jungen Geflüchteten vor und in ihrer Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis ermöglichen. Der zweite soll längere Duldungen für Ausländer*innen auf Jobsuche erreichen.
Dass eine Verbesserung nötig ist, davon ist Claudia Jacob vom Bremer Integrationsnetzwerk (BIN) überzeugt. Sie berät geflüchtete Ausbildungswillige zu aufenthaltsrechtlichen Fragen – und sieht dabei „sehr viele sehr gefrustete junge Menschen“.
Dabei gibt es seit Januar eine Ausbildungsduldung über 30 Monate. Eine Lösung ist das für Jacob aber nicht: Auch eine Ausbildungsduldung ist lediglich eine „Aussetzung der Abschiebung“. Die bedeute eine enorme Belastung der Psyche, glaubt Jacob. Auch praktische Probleme bringt sie mit sich: Eine berufliche Reise ins Ausland ist für einen Logistikazubi mit Duldung nicht so einfach möglich.
Bundesgesetz geht Koalition nicht weit genug
SPD, Grüne und Linke wollen, dass die Behörden künftig mehr echte Aufenthaltsgenehmigungen erteilen. Angewendet werden soll dafür Paragraf 25 des Aufenthaltsgesetzes, der den Aufenthalt aus humanitären Gründen regelt; schon jetzt ist es für junge Menschen in der Ausbildungsvorbereitung nach Paragraf 25a möglich, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.
Allerdings sind die Regeln dafür eng umrissen: Die Betroffenen müssen seit mindestens vier Jahren in Deutschland leben und dürfen nicht älter als 21 sein. „Ich sehe viele junge Leute, die Deutschkurse gemacht haben und einen Schulabschluss“, erzählt Jacob. „Aber wenn sie nach vier Jahren hier schon 22 sind, können sie den Aufenthaltstitel vergessen. Das ist frustrierend.“
Am Bundesgesetz kann Bremen allein nichts ändern. Helfen soll Absatz fünf desselben Paragrafen: Einem Ausländer „kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist“, heißt es dort.
Diese Formulierung scheint hinreichend ungenau, um ihn von Bremer Behördenseite durch einen Erlass näher zu definieren: In Zukunft solle, so der Bürgerschaftsantrag, dieser Absatz für Geflüchtete bis 27 gelten, die sich in Ausbildung oder in der Ausbildungsvorbereitung befinden. Die Entscheidung liegt im Einzelfall weiterhin bei den Behörden – doch mit dem Erlass wäre der Ermessensspielraum klarer definiert.
Für Menschen im Beruf gibt es seit 1. März eine Beschäftigungsduldung, ähnlich der Ausbildungsduldung. Doch dafür müssen Geduldete erst einmal an einen sozialversicherungspflichtigen Job kommen. Der zweite Antrag der Regierungsfraktionen fordert deshalb, für Jobsuchende eine Ermessensduldung nach Paragraf 60a, Absatz 2, zu erteilen – der gilt dann, wenn „persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern“.
„Öffentliches Interesse“ sei gegeben
„Wer beschäftigt ist, braucht keine Sozialleistungen“, begründet Sofia Leonidakis, migrationspolitische Sprecherin der Linken, dieses öffentliche Interesse. „Auch für kleine und mittlere Betriebe geht es um Planungssicherheit“, so die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Sahhanim Görgü-Philipp. Und Kevin Lenkeit, innenpolitischer Sprecher der SPD in der Bürgerschaft, sagt: „Es ist doch Wahnsinn, dass die, die gut integriert sind, abgeschoben werden.“
Der Antrag, so glauben sie, müsste auch bei Arbeitgebern und Handwerk Anklang finden. Das ist bisher nicht der Fall: Die Handwerkskammer beklagt, dass sie in die Planung nicht einbezogen wurde. Und Cornelius Neumann-Redlin von den Unternehmerverbänden findet, man solle zunächst beobachten, ob die Ausbildungs- und die Beschäftigungsduldung Wirkung erzielen.
Ob sich durch einen Erlass tatsächlich etwas ändert, muss die Praxis zeigen. In der Vergangenheit hat ein Bremer Erlass bereits für Wandel gesorgt: Einige der Regeln für Auszubildende aus einem Erlass von 2010 finden sich heute im Aufenthaltsgesetz.
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