Blauer Haken auf Twitter: Hakenlos durch das Netz
Der Kurznachrichtendienst hat die kostenlosen Haken bei bisher verifizierten Accounts entfernt. Sie werden nun nach Bezahlung und Good Will vergeben.
Unter den Prominenten, deren Accounts spät am Donnerstag das weiße Häkchen auf blauem Hintergrund verloren, waren Fußballer Cristiano Ronaldo, die Schauspielerin Halle Berry sowie zahlreiche Musik-Stars wie Lady Gaga, Beyoncé, Shakira und Justin Timberlake. Auch zahlreiche Politiker:innen, Journalist:innen und Medien, die zahlreiche bei Twitter vertreten sind, nur hakenlos im Netz. Der taz-Account @tazgezwitscher mit seinen knapp 700.000 Follower:innen ist nun nicht mehr als offiziell verifizierter Account erkennbar.
Zugleich behielten Bestseller-Autor Stephen King und Basketballer LeBron James, die zuvor Abo-Zahlungen ablehnten, überraschend ihre Verifikations-Symbole. Twitter-Besitzer Elon Musk erklärte dazu, er bezahle persönlich für einige Profile. Dem Technologie-Blog „The Verge“ zufolge lehnte James das Angebot von Twitter ab, die Abo-Kosten zu übernehmen. Der Haken blieb zunächst trotzdem. Stephen King legte Wert auf die Feststellung, dass er kein Abo-Kunde sei. „Gern geschehen“, twitterte Musk zurück.
Im Erklärtext zu den Häkchen steht, dass der Account für ein Abo bezahle und dessen Telefonnummer bestätigt worden sei. Damit erweckt Twitter im Fall von James und King den Eindruck, dass zwei prominente Kritiker des neuen Systems nun doch mitmachten. Zugleich behielten unter anderem Rihanna und Taylor Swift ihre Verifikations-Symbole – und äußerten sich zunächst nicht dazu, auf welcher Basis. Ansonsten geben sich Nutzer mit den Häkchen oft als Fans von Musk zu erkennen.
Twitter hatte die Symbole einst eingeführt, damit Nutzer sicher sein konnten, dass sich niemand für Prominente, Politiker oder Sportler ausgibt. Tech-Milliardär Elon Musk behauptete nach seinem Kauf von Twitter für rund 44 Milliarden Dollar, das Verfahren zur Vergabe der Häkchen sei „korrupt“ gewesen und sie seien zum Teil von Twitter-Mitarbeitern willkürlich verteilt worden. Das System habe Nutzer in „Lords und Bauern“ geteilt, deswegen sollten nun alle dafür bezahlen. Nun entschied ausgerechnet Musk selbst eigenmächtig, wer ein Häkchen behalten soll, ohne dafür zu bezahlen.
Twitterdebatte über Hakenverlust
Deutsche Twitter:innen, die bisher einen Haken hatte, kommentierten den Wegfall, teils mit Erleichtertung. „Bin ganz froh, dass heute mein blauer Haken verschwunden ist. Jetzt kann man sehen, wer ihn gekauft hat“, schrieb zum Beispiel der CDU-Politiker und Vielfachtwitterer Ruprecht Polenz. Der Schauspieler Marcus Mittermeier twitterte: „Ohne Haken sind wir alle gleich“. „Hier verkünden jetzt alle ernsthaft, dass ihr Haken weg ist, twitter hat euch echt kaputtgemacht“, amüsierte sich die Autorin Jagoda Marinic.
In der Nacht zum Freitag tauchten erste Fake-Profile auf. So wurde in einem Tweet von „@NYC_GOVERNMENT“ behauptet, das sei der offizielle Account der Stadt New York. Das echte Profil „@nycgov“ hat auch kein Häkchen-Symbol. Ein Profil mit dem Namen und Foto der Schriftstellerin J. K. Rowling entschuldigte sich für ihre umstrittenen Äußerungen der vergangenen Monate. Beide Fake-Accounts wurden wenig später blockiert.
Jetzt könne sich jeder für sie ausgeben, kritisierte schon am Vortag die Sängerin Dionne Warwick, deren Profil ebenfalls das Verifikations-Häkchen verlor. Schon bei Einführung der Bezahl-Haken im November hatte es Chaos mit täuschend echten Fake-Accounts einiger Prominenter und Unternehmen gegeben. Danach wurden zusätzliche Vorkehrungen eingeführt.
Bei Twitter brachten Werbeeinnahmen traditionell den Großteil des Geschäfts ein. Nach der Übernahme durch Musk gab es eine Abwanderung von Anzeigenkunden. Er hofft nun stärker auf Abo-Erlöse von Nutzern und Unternehmen. Das Häkchen-Symbol zum Teil eines Abos zu machen, gehört zu dem Plan.
Bei dem neuen Modell gibt es eine tatsächliche Verifikation nur für Unternehmen. Sie sollen für ihr goldgelbes Häkchen aber auch deutlich mehr Geld bezahlen: 950 Euro pro Monat statt der 9,52 Euro für einzelne Nutzer.
Deutscher Verlag twittert nicht mehr
Das Medienunternehmen VRM und dessen Zeitungen (unter anderem „Mainzer Allgemeine Zeitung“, „Wiesbadener Tagblatt“ und „Darmstädter Echo“) stoppen vorerst alle redaktionellen Aktivitäten auf Twitter. Chefredakteur Lutz Eberhard begründete den Schritt am Freitag mit der Übernahme der Plattform durch den Multimilliardär Elon Musk. Die Zahl der Spam- und Hass-Nachrichten dort steige, außerdem missbrauche Musk die Kurznachrichtendienst „regelmäßig für private Zwecke“, etwa bei der vorübergehenden Auswechslung des Twitter-Symbols gegen das Logo der Kryptowährung Dogecoin.
Eberhard kritisierte zudem die Kennzeichnung amerikanischer Sender als „staatlich finanziert“ und die von Musk eingeführte Unsitte, Presseanfragen an Twitter mit einem „Kackhaufen-Emoji“ zu beantworten. „So eine Plattform wollen wir nicht unterstützen“, heißt es in der auf den Internetseiten der VRM-Zeitungen veröffentlichten Erklärung – weder mit Geld, noch mit Inhalten.
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