Blasser Impfstoffkandidat von Curevac: Der gescheiterte Impfstoff
Die Wirksamkeit des Curevac-Vakzins hat sich in Tests als unerwartet schwach erwiesen. Dabei sah die Sache nie so rosig aus, wie sie gemalt wurde.
Es ist nun anders gekommen. Die vorläufigen Daten der Wirksamkeitsstudie bescheinigen Curevacs Kandidaten eine mickrige Wirksamkeit von 47 Prozent. Auf der Hauptversammlung am Donnerstag hat Hoerr doch nicht wie geplant für den Aufsichtsrat kandidiert. Auch in der finalen Analyse wird der Impfstoff nur noch schwerlich die für eine Zulassung nötige Mindesteffizienz von 50 Prozent verhinderter Erkrankungen erreichen. Und selbst wenn doch: Als Vorzeigeprodukt lässt sich das Vakzin nicht mehr verkaufen, vor allem nicht in den Industrieländern, in denen die Impfkampagnen weit fortgeschritten sind.
Für die Entwicklungsländer wiederum gibt es bessere Kandidaten mit höherer Wirksamkeit. Novavax etwa hat vor wenigen Tagen ebenfalls Ergebisse für seinen kühlschranktauglichen Impfstoff aus Virusproteinen vorgestellt. Das Vakzin schützt demnach zu mehr als 90 Prozent vor einer Covid-Erkrankung. Dagegen sieht der Impfstoff von Curevac ziemlich blass aus.
Aber was ist da überhaupt schiefgelaufen? Die Zuständigen haben Erklärungen angeboten, allen voran werden die zahlreich und global zirkulierenden Varianten von Sars-2 genannt, unter anderem von Curevac-Vorstandschef Franz-Werner Haas. „Wir bekämpfen ein nahezu anderes Virus“, sagte der CEO des Unternehmens vergangene Woche in Bezug auf dreizehn verschiedene Mutanten, die für die Fälle in der Studie verantwortlich gewesen sein sollen.
Curevacs Erklärung hat Haken
Diese Varianten weichen im für die Impfung entscheidenden Merkmal vom ursprünglichen Wuhan-Virus ab. Einige Mutationen machen es dem Immunsystem tatsächlich auch etwas schwerer, das Virus abzufangen. In der Studie war der Anteil von Infizierten mit B.1.1.7., inzwischen „Alpha“ genannt, besonders hoch. Alpha war im vergangenen Dezember als besorgniserregend eingestuft worden.
Doch obwohl die Erklärung mit den Varianten recht einleuchtend klingt, hat sie einen großen Haken: Gerade gegen Alpha, aber auch gegen andere Varianten wie die aktuell gefürchtete Delta-Mutante, ist der mRNA-Impfstoff von Biontech hochwirksam. So zeigte eine Analyse von mehr als 14.000 Geimpften in Großbritannien erst vor wenigen Tagen, dass Biontechs Vakzin nach zwei Dosen für Alpha wie Delta sowohl vor symptomatischen Erkrankungen als auch vor Krankenhauseinweisungen schützt. Dass mRNA-Impfstoffe ein prinzipielles Problem mit den bislang beobachteten Mutanten haben, ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Problem liegt im Design
Könnte es an der geringen Dosierung von 12 Mikrogramm mRNA je Dosis gelegen haben, die deutlich unter den 30 und 100 Mikrogramm der Impfstoffe von Biontech und Moderna liegt? Auch das ist nicht ganz so einfach, wie es klingt. Zwar ist die Dosierung möglicherweise zu gering, um eine ausreichend starke Immunantwort gegen Sars-2 zu provozieren. Aber eine höhere Dosis konnte Curevac im Gegensatz zur Konkurrenz offenbar nicht wählen. In vorangegangenen Studien hatte sich gezeigt, dass der Körper der Probanden bei höheren Dosierungen zu stark auf den Impfstoff reagiert und Nebenwirkungen erzeugt. Und damit ist man auch schon beim mutmaßlich zentralen Punkt: Dem Design des Impfstoffs selbst.
Zwar bauen alle mRNA-Imfpstoffe auf dem gleichen Prinzip auf, sie schleusen Bauanleitungen für das Stacheleiweiß von Sars-2 in menschliche Zellen. Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen der mRNA im Impfstoff von Curevac und jener in den Vakzinen der zwei erfolgreichen Konkurrenten. Biontech und Moderna nutzen eine chemisch stabilisierte mRNA, in der ein von menschlichen Zellen besonders eisern bekämpfter Baustein ausgetauscht wurde. Lesbar ist die mRNA für die Zellen zwar immer noch, sie wird aber vom Körper nicht mehr oder weniger stark attackiert. Curevac dagegen setzte stets auf „natürliche“ RNA ohne modifizierte Bausteine, mit der Begründung, man könne diese mRNA über Feinheiten in den Sequenzen optimieren.
Wenig publiziert
Nachvollziehbare Details über die Forschungen des Tübinger Unternehmens sind jedoch schwer einzusehen, denn die dort tätigen Wissenschaftler publizieren nur wenig. So hat Ingmar Hoerr, auf dessen Forschung das Impkonzept von Curevac aufbaut, im Laufe seiner Karriere lediglich an einem guten Dutzend Originalpublikationen mitgewirkt, als Forscher ist er damit so gut wie nicht existent. Die Zahl seiner Patente beläuft sich dafür auf 600, so steht es in einem gerade erschienenen Buch über Hoerr und seine Karriere. Ein Kapitel darin heißt „Road to Stockholm“.
Doch abgesehen von der wohl doch nebensächlichen Frage, wer nun einen Nobelpreis erhält für die Idee von mRNA als Impfstoff, die in dieser Pandemie wohl Millionen Leben retten wird, aber schon 1990 von US-Forschern formuliert wurde: Wie es nun mit dem Vakzin des vorab gefeierten Tübinger Biotech-Unternehmens weitergeht, ist nicht ausgemacht. Bislang sieht Curevac keinen Anlass, aus dem Rennen um den Corona-Impfstoff auszusteigen. Wenn die abschließende Analyse der Studie etwas besser ausfällt, will man trotz allem mit dem ersten Kandidaten weitermachen, so hieß es zumindest vor der Hauptversammlung am Donnerstag. Falls nicht, gibt es bereits einen zweiten, offenbar etwas anders aufgebauten Impfstoff, der bislang nur an Affen getestet wurde. Das aber angeblich mit sehr vielversprechenden Ergebnissen.
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