„Blackbox Abschiebung“ neu aufgelegt: Maximale Freizügigkeit für alle
Miltiadis Oulios hat sein Migrationsbuch „Blackbox Abschiebung“ wegen der „Flüchtlingskrise“ überarbeitet und neu aufgelegt.
Wie viele Leute den Ruf nach Abschiebungen dieser Tage für ein mächtiges Faustpfand im Kampf gegen Rechtspopulismus halten! Sahra Wagenknecht nahm es zur Hand wie ein Zepter: „Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht dann eben auch verwirkt.“ Also Frauen angrabbeln, erwischt werden, zack, raus aus dem Land.
Dass Abschieben so einfach nicht ist, muss vermutlich nicht mal den Pegida-Dickhäutern erklärt werden, von denen die Fraktionsvorsitzende hofft, sie würden jetzt alle zur Linken rübertrampeln. Wie schwierig genau, das möchte man allerdings genauer wissen.
Auskunft darüber gibt das Buch „Blackbox Abschiebung“ (Suhrkamp Verlag) von Miltiadis Oulios. 2013 zuerst veröffentlicht, wurde es aus Anlass der „Flüchtlingskrise“ gerade überarbeitet neu aufgelegt und mit einer langen Vorrede versehen.
Dabei, wie kompliziert es ist, zur Ausreise Verdonnerte tatsächlich außer Landes zu bringen, bleibt es nicht. In dem 450-Seiten-Schinken sind zahlreiche Interviews mit Betroffenen eingegangen, seinerzeit für eine Ausstellung. Ein Kosovare, ein türkischer Familienvater, Roma-Kinder.
Migrationsgesetz reicht nicht
Alle haben zuvor jahrelang in Deutschland gelebt oder sind gar hier geboren, auf Duldung zumeist. Amtsschimmel-Käse, keine Frage. Ob die Fälle repräsentativ sind? In solcher Fülle hat man das noch nicht gelesen.
Ursprünglich trug der Band den Untertitel „Geschichten und Bilder von Leuten, die gerne geblieben wären“, jetzt prangt auf dem Einband ein viel gewichtigeres „Geschichte, Theorie und Praxis der deutschen Migrationspolitik“. Und da geht Oulios steil über die Behauptung hinaus, Abschiebungen seien sinnlos, weil zahlenmäßig unerheblich. Willkommenskulturschaffende und die Masse der Anstürmenden des Jahres 2015 versucht er durch olle Schlager wie „Kontrollverlust des Staates“ und „Migration als soziale Bewegung“ zum Tanzen zu bringen.
Die Flüchtlinge, sie kämen sowieso, da könnten die Grenzen noch so dicht gemacht werden. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias stampft ja nun auch in dieser Polonaise. Die Plausibilität liegt längst röchelnd am Wegesrand, aber man paradiert munter weiter: Schrittweise müssten deshalb neue legale Migrationsmöglichkeiten eingeführt werden. – Das überfällige Migrationsgesetz? Leider nein, als Ziel zu klein.
Oulios will „eine maximale Freizügigkeit für alle Menschen“. Jeder soll wohnen, wo er will. Aber, mal ehrlich, wenn der Morgen graut, sind derlei Songs nicht mehr als ein Faustpfändchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“