AfD

Der Rechtsausleger des rechten Flügels der Rechtspopulisten randaliert verbal. Ein Fall für den Rechtsstaat?

Zurück in die Vergangenheit

Provokation Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke bezeichnet das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Schande“ und fordert eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik

Schande: Björn Höcke Foto: Fabrizio Bensch/reuters

von Gareth Joswig

BREMEN taz | Dienstagabend in Dresden, die selbsternannten „Patrioten“ im Brauhaus „Winzler“ applaudieren mehrfach im Stehen. Sie klatschen im Takt und skandieren dazu „Höcke! Höcke! Höcke!“ Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke will der Star des Abends sein, nennt sich selbst gleich zu Beginn seiner Worte einen „unbequemen Redner“. Danach suhlt er sich eine Dreiviertelstunde lang im Applaus seiner circa 500 AnhängerInnen. Geladen hat die als radikal geltende Jugendorganisation „Junge Alternative“ der AfD. Das Compact-Magazin streamt die Veranstaltung live auf Youtube. Pegida bewacht den Saal. Davor protestieren rund 200 Gegendemonstranten.

Höcke sagt: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Höcke meint damit das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, kurz „Holocaust-Mahnmal“ genannt, das in Berlin an die Schoah, den nationalsozialistischen Genozid an den Juden im Zweiten Weltkrieg, erinnert. Dass er nun jedoch den Ort des Denkmals oder sogar das Denkmal selbst als Schande bezeichnet, ist neu. Damit versucht er noch am Tag, an dem das Bundesverfassungsgericht die NPD wegen vermeintlicher Irrelevanz nicht verboten hat, den Diskurs weiter nach rechts zu verschieben.

Seine Worte sind verschieden interpretierbar: Bezeichnet er das Mahnmal als Schande oder bezeichnet er es als Schande, dass dort kein Siegerdenkmal steht? Man kann es verschieden verstehen und das ist vermutlich auch so intendiert.

Kernaussage seiner Rede ist: „Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.“ Höcke, ein beurlaubter Geschichtslehrer, will die deutsche Geschichte wieder als Siegergeschichte lehren und fordert eine nationalistische Geschichtsschreibung.

Schon mehrfach war der AfD-Politiker wegen der Verwendung von NS-Vokabular aufgefallen. Nicht selten tauchen in seinen Reden Begriffe auf wie „Tat-Elite“, die Merkels „Pseudo-Eliten“ ablösen sollten. „Tat-Elite“ war auch die Selbstbezeichnung der SS – ein Umstand, der Höcke nicht unbekannt sein dürfte. Die AfD nennt er gern „fundamen­tal­oppositionelle Bewegungspartei“. Adolf Hitler hatte die NSDAP einst „Partei der Bewegung“ genannt.

Man kann Höcke verschieden ver­stehen. Das ist vermutlich so intendiert

Am Dienstagabend in Dresden sagt Höcke: „Bis jetzt ist unsere Geistesverfassung, unser Gemütszustand immer noch der eines total besiegten Volkes.“ In seiner Rhetorik scheint „das Volk“ ein undifferenzierter Körper zu sein. Eine Metapher, die ein vereinfachtes organisches Verständnis von Gesellschaft zeichnet. Der Volkskörper ist eine Sprachfigur aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Besonders gern haben ihn die Nationalsozialisten benutzt – in einer antisemitischen und rassehygienischen Absicht.

Höcke zieht in dieser Passage seiner Rede eine Linie von der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten bis zur Geschichtsaufarbeitung der Nachkriegszeit: „Man wollte nichts anderes, als uns unsere kollektive Identität rauben. Man wollte uns mit Stumpf und Stil vernichten, man wollte unsere Wurzeln roden. Und zusammen mit der dann nach 1945 begonnenen systematischen Umerziehung hat man das dann auch fast geschafft.“ Höcke sagt damit nichts anderes, als das er zu dem Geschichtsbewusstsein vor 1945 zurückkehren will.

Jürgen Kasek, Chef der Thüringer Grünen und Jurist, twitterte nach der Rede: „Wer nach dem AfD-Auftritt heute in Dresden daran zweifelt, dass wir das Wiedererwachen des NS sehen, dem ist nicht mehr zu helfen.“