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■ Sparmaßnahmen treffen „Notruf für vergewaltigte Frauen“: Mitarbeiterin entlassen, weniger Beratung, längere Wartezeiten Von Stefanie Winter
Außerhalb der Behörde, sagt Jutta Brandewiede, sei der „Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen“ anerkannt. Häufig empfehlen Ärztinnen oder Rechtsanwältinnen den Opfern von Vergewaltigungen, Kontakt mit der Hilfs- und Beratungsstelle aufzunehmen.
Die Justizbehörde hatte der Einrichtung im Zuge allgemeiner Sparverpflichtungen die finanziellen Zuwendungen bereits vor zwei Jahren gekürzt, ein Teil der Kürzungen bislang aber durch Umverteilung von „Interimsmitteln“ aufgefangen. Dies sei nun nicht mehr möglich. Einer der vier Mitarbeiterinnen wurde vor zwei Monaten gekündigt; mit ihr fällt ein wichtiger Teil des Beratungsangebots weg.
Etwa zeitgleich hatte der Notruf eine Mitarbeiterin für Telefon und Büroarbeiten gefunden; vorher lief der erste Kontakt häufiger über den Anrufbeantworter – oder eben nicht. Nicht wenige hilfesuchende Frauen wurden von der Maschine abgeschreckt. Jetzt erfahren sie wenigstens persönlich von den Wartezeiten für ein Beratungsgespräch.
Frauen, die als Kind sexuell mißbraucht worden sind, finden beim Notruf keine Hilfe mehr. Dafür war die ehemals vierte Kollegin zuständig. Die verbliebenen drei Beraterinnen können die Arbeit nicht zusätzlich bewältigen. „Wir müssen die Anruferinnen wegschicken“, sagt Gudrun Ortmann. Doch auch die anderen Beratungsstellen seien überlastet.
Durch eine Vergewaltigung befinden sich die Frauen in einer akuten Gefährdungssituation, sagt GAL-Frauenreferentin Marie Krimmer. Der Gesellschaft sei nicht klar, so Notruf-Mitarbeiterin Brandewiede, daß Vergewaltigung vor allem ein Gewaltdelikt ist, daß die Frauen Todesangst ausstehen und schwer körperlich versehrt werden. Es sei unverantwortlich, meinen beide, daß Frauen in dieser bedrohlichen Situation auf Hilfe warten sollen.
Zumal die Justizbehörde nach Kenntnis Krimmers auch für 1996 Mittel zur Umverteilung gehabt hätte. So sei etwa der Justizkindergarten im Haushaltsplan mit 360.000 Mark bedacht worden; im Nachtragshaushalt tauchen nur noch 180.000 Mark auf, bestätigt Behördensprecherin Sabine Westphalen. Die andere Hälfte sei in den großen Konsolidierungstopf geflossen. Auch in allen anderen Bereichen der Justizbehörde habe es erhebliche Einschnitte gegeben.
Die Notruf-Frauen erwarten eine politische Entscheidung der Behörde zugunsten der Opfer, denen weniger Rechte und Betreuung zustünden als den Tätern. Doch selbst das Senatsamt für Gleichstellung, meint Krimmer, ergreife kaum Partei für die betroffenen Frauen. Senatsamtssprecherin Barbara Beuys hält entgegen, daß zahlreiche Gespräche mit der Behörde und Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem geführt worden seien. Dabei sei deutlich geworden, daß diese Sparmaßnahmen notwendig sind.
Allerdings gehe das Senatsamt bei seiner Bewertung davon aus, daß die für den Justizkindergarten veranschlagte Summe dort gebraucht werde und tatsächlich dorthin geflossen sei.
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