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Biomüsli-Hersteller über Discounter-Deal„Ein Verrat an der Biobranche“

Immer mehr Ökofirmen verkaufen bei dm, Edeka & Co. Warum das Unternehmen Spielberger Mühle sich radikal dagegen entschieden hat, erklärt der Chef.

„Wir haben heute schon zweierlei Klassen von Bio.“ Foto: imago/Jochen Tack

taz: Herr Spielberger, seit 2014 haben Sie Vertriebsverträge, die festlegen, dass Sie Ihre Produkte ausschließlich im Biohandel verkaufen. Supermärkte wie Edeka oder Kaiser’s sind damit tabu. Schneiden Sie sich nicht ins eigene Fleisch?

Volkmar Spielberger: Das ist wie in jeder Partnerschaft: Wenn Sie auf die Monogamie setzen, dann haben Sie Nachteile und Vorteile. Wir machen das aus Überzeugung. Und im Regelfall wird eine klar positionierte Marke im Bio-Fachhandel besser platziert als Marken, die nicht exklusiv über den Handelspartner verkaufen.

Über Supermärkte könnten Sie aber größere Mengen verkaufen. Das wäre doch auch vorteilhaft. Oder?

Da muss sich jedes Unternehmen die Frage stellen: Was ist mein Ziel? Glauben wir an das Prinzip, Wirtschaft funktioniert nur mit möglichst großem Wachstum? Oder sind wir in der Lage, den Nachhaltigkeitsgedanken auch im Wirtschaftshandeln entsprechend umzusetzen? Wir als handwerklich arbeitender mittelständischer Hersteller haben gar nicht das Ziel, jedes Jahr zweistellig zu wachsen – und deshalb brauchen wir diese Umsätze über die Konventionellen nicht.

Aber für mich als Kunden wäre es doch prima, wenn ich Bio an jeder Ecke, in jedem Supermarkt bekäme.

Bio für alle ist ja auch das große Ziel. Aber der konventionelle Handel ist systemmäßig darauf ausgerichtet, Masse zu machen und über den Preis zu verkaufen. Diese Handelsstrukturen sorgen für ruinöse Strukturen in der Landwirtschaft, das sollte dem Verbraucher klar sein.

Sie appellieren ja auch dafür, dass andere Hersteller nur im Fachhandel verkaufen. Wird so der Biomarkt damit aber nicht künstlich kleingehalten?

Nein. Bio ist heute in Deutschland schon überall. Und wir haben heute schon zweierlei Klassen von Bio. Wenn Kollegen auch Handelsmarken oder Zweitmarken etwa für Supermärkte herstellen, ist das für mich kein Thema. Der Verbraucher will eben nicht immer zwei Kilometer fahren, der will auch bei Edeka um die Ecke was kaufen können. Aber die Biobranche ist Innovationsmotor und Pionier der ökologischen Bewegung. Die Bio-Hersteller dürfen sich nun nicht zum Vasallen des Lebensmitteleinzelhandels machen.

Die Biobranche ist in Aufruhr, weil immer mehr Hersteller auch bei den Großen verkaufen. Im Juni wurde Davert angeprangert, weil der Ökopio­nier auch in die Regale von dm wanderte. Ist das gerechtfertigt?

Ich kann verstehen, dass Biohändler erschrecken, wenn eine Pioniermarke sich entscheidet, einen Vertriebskanal zu wählen, in dem es nur um den Preis geht. Der Biofachhandel hat die ganzen Pionierleistungen erbracht – wer hat denn definiert, wie etwa ein funktionierendes Rückstandsmonitoring in der Biolebensmittelwirtschaft aussieht? Wenn ein Mitpionier wie Davert heute sagt, ich produziere für dm unter der Eigenmarke dmBio – und das 30 Prozent günstiger –, dann ist das Verrat an der Biobranche.

Im Interview: Volkmar Spielberger

51, ist Geschäftsführer der Spielberger-GmbH. Das Familienunternehmen produziert Mehle, Nudeln und Müsli in Demeter-Qualität.

Und der Verbraucher?

Fühlt sich dann zu Recht hintergangen, weil er denkt, in den Ökomärkten ist es teurer, weil sie eine größere Marge als nötig nehmen. Das ist aber nicht so. dm zum Beispiel hat doch nur eine Trockenproduktlogistik, auch deswegen können sie ihre Kosten so günstig halten. Ein Öko-Supermarkt, der auch ein Frischesortiment vorhält, der braucht auch andere Spannen.

Davert hat ein ähnliches Sortiment wie Sie. Profitieren Sie, wenn Davert-Produkte ersetzt werden?

Es mag sein, dass wir kurzfristig beim ein oder anderen Biohändler mehr Aufmerksamkeit erfahren. Aber letztlich sind wir durch unsere Verträge stark an den Erfolg oder Misserfolg der Fachhandelspartner gebunden. Wenn also durch Daverts Weggang die Erosion des Fachhandels fortschreitet, dann trifft das auch uns.

Ich finde doch in den den Supermärkten längst Marken wie Biosaft von Voelkel …

Wenn wir die qualitative Unterscheidung, die der Biomarkt bietet, nicht sichtbar machen können für den Verbraucher, dann ist unsere Daseinsberechtigung beschränkt. Aber wenn Sie Voelkel als Beispiel nehmen: Die Bioprodukte bekommen Sie vielleicht im Lebensmitteleinzelhandel. Aber nicht die mit dem strengeren Demetersiegel.

Und warum sollte der Verbraucher bei Bio auf den Fachhandel setzen?

Im Verbraucherspektrum von Bio haben Sie auf der einen Seite den Überzeugungstäter, der für die Welt Verantwortung übernehmen will. Auf dem extremen anderen Ende der Skala liegt für mich der Bio-Egoist. Der kauft Öko, weil er für sich und seine persönliche Gesundheit das Beste will – und wenn er es billiger bekommt, tut es ihm auch noch monetär gut. Und im Spannungsfeld dazwischen, da ist die Realität.

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14 Kommentare

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  • Die Grenze bei der Bio-Zertifizierung zu ziehen ist bedenklich. Großaufträge für Riesen-Ketten abzulehnen ist eine Sache, aber allem Handel der nicht 100% Bioprodukte anbietet (oder waren es 95%?), also z.B. kleinen inhabergeführten Läden, den Zugang abzudrehen eine andere.

    Vielleicht der einzige überschaubare Weg bei solchen großen Handelsstrukturen.

  • Die Frage ist allein: Wie öko ist öko? Wo es verkauft wird, ist letztlich wurscht (außer denen natürlich, die ihre Felle davonschwimmen sehen, aber das ist nunmal so im Ökokapitalismus).

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    In welcher Bio-Markt-Kette wurde nochmal massiv die Gründung eines Betriebsrats behindert oder sogar verhindert?

     

    Hauptsache Bio, auch wenn sich die eigenen Mitarbeiter den teuren Scheiss nicht leisten können.

    • 6G
      64938 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Ja, Hauptsache Bio.

      Ist zu wichtig, um von einigen wenigen kaputtgemacht zu werden.

      Das fragwürdige Arbeitnehmerverhalten einiger großer und kleiner Bioläden ist kein Grund, die ganze Idee zu entwerten (... den teuren Scheiss)

      • @64938 (Profil gelöscht):

        Der Ökokapitalismus ist eben auch nur ein Kapitalismus. Dass er nicht funktioniert, sehen wir jetzt seit 40 Jahren.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @64938 (Profil gelöscht):

        Was ist denn die Idee? Einige produzieren für ein paar mehr? Wie soll man damit 80 Millionen Leute ernähren?

         

        Oder geht es gar nicht darum?

         

        Ist das mehr so eine identitätsstiftende Nummer?

  • "Echte" Bio-Produkte kann man sich auch mit einem schmalen Geldbeutel leisten, wobei ich mich als lebenden Beiweis zur Verfügung stelle.







    Ein paar meiner "Tricks": Keine Lebensmittelabfälle produzieren, sprich nix Unnötiges kaufen, in der Saison auch mal selbst gärtnern, weniger teure Fertiggerichte und dergleichen.







    Die Journalsitin Rozsika Farkas hat die "Arm aber bio"-Bücher geschrieben und sich eben diesem Thema gewidmet.

    • @Jens Brehl:

      Ganz genau! Es müssen ja ständig Chiasamen und Fertigsmoothies sein. Wer viel selber macht und überhaupt selber kocht, wird im Bioladen belohnt.

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Die Leitung unseres ansässigen Bioladens beschäftigt nur billige 400€ Kräfte, ist politisch eher desinteressiert, hat uns damals nicht über die dort verkauften Franzsander Produkte informiert, und hat obendrein wie viele andere Bioläden im Umfeld ein Preisniveau, das sich wirklich nur noch extrem gut verdienende leisten können.

    Das hat insofern weder etwas mit "Pioniergeist" auf der einen Seite noch mit "Egoismus" auf der anderen Seite zu tun. Ich glaube, das sind einfach Geschäftsleute, und keine Überzeugungstäter.

    Ich kaufe deshalb ohne mieses Gefühl die Bioland Milch im Supermarkt. Hier ist sie 35Cent billiger, und damit für mehr Leute leistbar. Und es geht ja wohlmauch darum, Biolebensmittel aus der elitären Nische zu holen, damit über höhere Umsätze ein Effekt für die Umwelt und die Landwirtschaft erzielt werden kann.

    Alles andere ist dann nur noch die Diskussion über kleine Läden. Da gibt es bei uns auch welche, die freundlich sind und außerdem festangestelltes Personal haben.

    Es gibt auch einen Biosupermarkt. Aber der macht für mich keinen Sinn.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @64938 (Profil gelöscht):

      Erst wenn Menschen wie Sie kapieren, dass man durch 20 oder 30 Cent mehr, die man bereit ist zu zahlen, eine Haltung zu unterstützt, wie sie der Spielberger Geschäftsführer anspricht, erst wenn Menschen verstehen, dass verantwortungsvolles Leben und Verbrauchen etwas kostet, erst wenn wir woanders Abstriche machen bereit sind, kommen wir einen Schritt weiter.

       

      AQUARIUS99, Ihre Argumente "für mehr Leute leistbar", "aus der elitären Nische holen" können Sie sich schenken. Die stammen aus den 80er Jaher und werden heute immer noch wiedergekäut. Schaun sie einfach mal hin, wo Sie und die lieben Mitzeitgenossen lieber ihr Geld ausgeben und seien sie dabei ehrlich.

      Lebensmittel stehen dabei halt nicht oben auf der Liste.

       

      Ich spreche freilich nicht von Leuten, die wirklich jeden Cent umdrehen müssen.

      • @61321 (Profil gelöscht):

        @Wolf Haberer Und Menschen wie Sie haben offensichtlich nicht kapiert, das Bio erst einmal Bio ist und nicht gleichzeitig eine antikapitalistische Weltanschauung. Oder wie soll das sein, Bio nur noch für Linke?

        • 6G
          61321 (Profil gelöscht)
          @charly_paganini:

          Bio war und Bio ist auch heute noch bei vielen eine Anschauung. Es geht ganz wesentlich zurück auf Reformbewegungen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh., mit alternativen Ideen die bereits vor der durchschlagenden Industrialisierung in der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg mit ihren positiven und negativen Folgen aufkamen.

           

          Bio tut sich heute selbstverständlich weitestgehend den kapitalistischen Rahmenbedingungen unterwerfen.

          Die Alternative ist, und sie war es immer, etwas anbauen und lediglich an Freunde und Bekannte zu Sonderbedingungen verkaufen.

           

          Bio ist lukrativ und daher seit langem gekapert von Leuten, denen jedwede Anschauung, jede tiefer liegende Idee völlig wurscht ist. Soweit logisch und verständlich.

          Ich vermute bei Spielberger, wenn ich den Artikel lese, eine etwas andere Philosophie, die womöglich ernst gemeint ist.

           

          Ich mag das Angemotze dagegen nicht mehr hören.

           

          Kaufen sie die Billigbiomilch, wenn es Ihnen lediglich um irgend eine Art der Rückstandskontrolle oder sowas geht, damit Ihre Kinder gesünder aufwachsen.

           

          Kaufen Sie eine etwas teurere Bio-Milch, wenn Sie wünschen dass Landwirtschaft und Handel darüber hinaus noch nach anderen Grundsätzen, nicht den einfachsten kapitalistischen, ablaufen.

          • 6G
            64938 (Profil gelöscht)
            @61321 (Profil gelöscht):

            Was an Bioland Milch für 1,15 aus der selbstverwalteten Genossenschaft Hamfelde billig oder "biobillig" sein soll ist wohl ihr Geheimnis.

            Ich finde aber die Arroganz, mit der sie wichtige Gesichspunkte wegwischen (... können Sie für sich behalten) steht für einen überkommenes elitäres Denken, das nicht zeitgemäß ist.

            Im Gegensatz zu Ländern wie Dänemark, wo Bioqualität schon lange überall zu haben ist, war dies in Deutschland bisher nicht der Fall. Und deshalb ist es auch gut, wenn selbst Discounter wie Aldi solche Lebensmittel anbieten. Man kann sich noch über die einzelnen Siegel streiten, ich bevorzuge halt Bioland und Demeter, weil ich es mir leisten kann.

            Ich werde mein knappes Geld aber nicht für gelegentlich überzogene Einzelhandelsmargen im Bioladen ausgeben. Davon haben auch die Landwirte nichts.

            • 6G
              61321 (Profil gelöscht)
              @64938 (Profil gelöscht):

              Ich habe weiter oben angemerkt, dass es auch im landwirtschaftlichen Bereich vor langer Zeit schon eine "Avantgarde" gab.

              Die wird es hoffentlich auch in Zukunft geben. Leute mit Verantwortungsbewusstsein, Risikobereitschaft und Bereitschaft zur Innovation.

               

              Ein Manager eines Discounters wird nie auch nur im Ansatz verstehen (wollen), worum es dabei geht. Der hat ganz andere Ziele. Und die vertragen sich nicht einer halbwegs angemessenen Vergütung landw. Bioprodukte.

               

              Zählen Sie also weiter Ihre Cent.