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Biofachhandel in DeutschlandEinigkeit, besiegelt

Vertreter des Biohandels diskutieren, ob sie unter einer einheitlichen Dachmarke auftreten wollen. Wichtig sei, niemanden zu verwirren.

Wenn dir das Leben Siegel gibt – mach' noch eins! Foto: dpa

Berlin taz | Der Biofachhandel will für seine Kunden einheitlicher auftreten. Daher hat der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) den Vorschlag gemacht, für den Biofachhandel die Dachmarke „Naturmarkt“ einzuführen und alle Bioläden mit einem Siegel zu kennzeichnen. Für den Erhalt des Siegels müssten die Händler kein Mitglied beim BNN sein, sondern ihr Sortiment sollte die gemeinsamen Sortimentsrichtlinien des BNN und des Einzelhändler-Verbands Naturkost Süd erfüllen, sagte BNN-Pressesprecher Hilmar Hilger. Alle Lebensmittel sollen also mindestens der EU-Öko-Verordnung entsprechen; bei der Herstellung anderer Produkte, etwa Kosmetik, soll auf gentechnisch veränderte Organismen und aus Erdöl gewonnene Inhaltsstoffe verzichtet werden.

„Viele Kunden, die regelmäßig Bioprodukte im Supermarkt, Discounter oder in der Drogerie kaufen, würden auch in Naturmärkten einkaufen“, sagte Hilger der taz. „Sie erkennen sie nur oft nicht.“ Der BNN stützt sich dabei auf die Ergebnisse einer Befragung 1.100 bioaffiner Kunden. Die Teilnehmer wurden gefragt, ob sie bereit wären die Einkaufsstelle zu wechseln, wenn diese die höchsten Qualitätsstandards für Biolebensmittel bietet. 53 Prozent der Discounter-Einkäufer, 49 Prozent der Supermarkt-Einkäufer und 36 Prozent der Drogeriemarkt-Einkäufer hätten diese Frage mit Ja beantwortet.

„Die Kunden wollen eine Einkaufsstätte, in der jedes Produkt höchsten Bio-Standards entspricht. Dort müssen sie nicht zu Experten im Lesen von Kleingedrucktem werden“, sagte Hilger. Die meisten Details seien aber noch offen: „Wir sind in einem Werkstattprozess, zu dem alle Branchenbeteiligten eingeladen sind.“ In den ersten Reaktionen auf den Vorschlag habe man in der Branche eine Einigkeit darüber erkennen können, dass einheitlich kommuniziert werden müsse.

„Vor allem im Biobereich sind Transparenz und Authentizität wichtig“, sagt Nadia Massi, Mitinhaberin des Naturkostcafés und -ladens Biooase 44 in Berlin-Neukölln. „Es ist wichtig, sich von konventionellen Läden abzuheben, zum Beispiel Drogerien, die Bioprodukte verkaufen. Aber Deutschland ist ein Schlaraffenland voller Siegel, deswegen müsste den Kunden ein solches Siegel wirklich gut erklärt und bekannt gemacht werden, um sie nicht zu verwirren.“

Der Inhaber des Biolebensmittelherstellers Lebensbaum, Ulrich Walter, steht der Idee grundsätzlich neutral gegenüber. Dennoch hat er seine Zweifel, ob die Umsetzung gelingen werde. Es habe bereits verschiedene Versuche des BNN gegeben, ein solches Siegel einzuführen, doch die seien wenig erfolgreich gewesen.

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4 Kommentare

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  • 3G
    37818 (Profil gelöscht)

    "Die Kunden wollen eine Einkaufsstätte, in der jedes Produkt höchsten Bio-Standards entspricht."

    Nein. Ich als Kundin kann durchaus selbst entscheiden, welchen Standard ich haben will. Und das muss nicht immer der höchste sein. Manchmal ist mir Fair-trade wichtiger als Bio. Bei Fleisch geht es mir um das Tierwohl, nicht um die Kunstdünger-freie Ernährung des Tieres. Bessere Kennzeichnung ist gut, Vereinheitlichung der Standards schlecht, wenn dadurch die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden.

  • Apropos Authentizität: die Hersteller von Laserbeschriftungsanlagen können jetzt Gemüse und Obst direkt auf der Schale beschriften. Damit man nicht mehr Bioavocados und konventionelle Avocados verwechselt. Wär es für den Klimarettter nicht sinnvoller, auf Kohl und Möhren aus einheimischer Produktion umzusteigen? Können sich diese den aufwändigen Zertifizierungsprozess leisten?

    • @Energiefuchs:

      Na klar! Es wäre sinnvoller lokal zu kaufen. Aber auch bei lokalen Produkten möchten manche Menschen bio kaufen und auch da, werden die Bio-Produkte (wie bei Tomaten und Karotten usw. in Plastikverpackt um sie von den konventionellen zu differenzieren. Das Lasern wird erst an den Avocados getestet, weil die Schale nicht mitgegessen wird, soll aber, wenn alle gut läuft, auch auf lokale Produkte ausgeweitet werden.

      • @somos_más:

        Wegen der Akzeptanz? Ich hatte das Laserbeschriftungsverfahren so verstanden, dass nur Farbpigmente in der Schale aufgelöst werden. Wie bei der Tattoo-Entfernung. Eßbar ist das also trotzdem noch.