piwik no script img

Biologisch abbaubarer KunststoffForscher basteln mit Kleie

Plastik ist ein doppeltes Problem: Zur Herstellung wird oft Erdöl benutzt, am Ende landen große Mengen in der Natur. Kunststoff aus Kleie soll Abhilfe schaffen.

Bevor wieder alles ins Meer fliegt: Biologisch abbaubares Plastik muss her Foto: dpa

Erlangen dpa | Forscher aus Bayern wollen biologisch abbaubaren Kunststoff aus Kleie herstellen. Unter Kleie versteht man Rückstände, die bei der Getreideverarbeitung anfallen. „Das Bio-Plastik, das wir produzieren, wird innerhalb von zwei bis drei Wochen auch in der Umwelt abgebaut und endet damit erst gar nicht im Meer“, sagte Thomas Brück von der Technischen Universität (TU) München. Die Wissenschaftler der TU und der Universität Bayreuth stellten am Mittwoch in Erlangen erste Forschungsergebnisse vor. Der neue Kunststoff soll auch eine Alternative zu Plastik aus Erdöl schaffen.

Mehrere hunderttausend Tonnen Kleie fielen allein in Bayern jedes Jahr als Reststoff an, sagte Brück. Da Kleie kaum verkauft werden könne, werde sie aktuell von der Mühle verbrannt. Das Forscher-Team versuche, den Reststoff möglichst gewinnbringend weiter zu verwenden.

Auf Basis von Polyhydroxybuttersäure (PHB) sollen flexible Kunststoffe entstehen, die für viele verschiedene Anwendungen genutzt werden können. In den nächsten fünf Jahren solle es die ersten Produkte damit geben, sagte Brück. Bereits jetzt werde ein Staubsauger-Deckel hergestellt, der aus einem Gemisch von PHB und Polypropylen-Carbonat bestehe. Bisher gebe es außer PHB nur wenige andere Bio-Kunststoffe, die schon technisch eingesetzt werden. In Italien etwa werde für Plastiktüten Caprolactam aus Stärke genutzt, das auch biologisch abbaubar sei.

Andrea Siebert-Raths, stellvertretende Leiterin des Instituts für Biokunststoffe in Hannover, sagte, ein Vorteil des bayerischen Ansatzes sei die Verwertung eines Reststoffs. Damit umgehe man die übliche „Tank-Teller-Diskussion“ bei Bio-Kunststoffen. Kritiker werfen Herstellern von Bio-Kunststoffen genauso wie Produzenten von Energiepflanzen vor, Flächen zu verschwenden, auf denen Lebensmittel angebaut werden könnten.

Umweltbundesamt ist zurückhaltend

Zudem sei es wünschenwert, den Plastik-Müll im Meer zu bekämpfen. „Die Bio-Kunststoffe werden da aber nicht das Non-Plus-Ultra sein“, sagte Siebert-Raths. Denn es sei sehr schwierig, einen Kunststoff herzustellen, der als Gebrauchsgegenstand langlebig sei und eine gute Qualität habe und gleichzeitig in der Natur schnell abbaubar sei. Auch bei der gleichzeitigen Anwendbarkeit für viele verschiedene Produkte zeigte sich Siebert-Raths skeptisch.

Bio-Kunststoffe hätten in den vergangenen zehn Jahren stark zugelegt und zeigten weiter hohe Wachstumsraten. Dennoch machten sie von den mehr als 300 Millionen Tonnen Kunststoff, die weltweit pro Jahr produziert werden, nur etwa 1,5 bis 2 Prozent aus. Sie werden unter anderem aus Mais, Kartoffeln, Rüben oder Zuckerrohr hergestellt.

Das Umweltbundesamt ist beim Thema Bio-Kunststoffe eher zurückhaltend. Da es aufgrund der geringen Mengen bisher keine Entsorgungs-Systeme gibt, seien Bio-Kunststoffe in der Ökobilanz bisher nicht besser als normale Kunststoffe, sagte eine Sprecherin. Beim Recycling herkömmlichen Plastiks könnten die biologisch abbaubaren Kunststoffe zudem stören. Auch in Kompostieranlagen würden sie in der Regel aussortiert und letztlich verbrannt. Auch Siebert-Raths sagt: „Wir halten von der Kompostierung nicht viel. Nur da, wo sie wirklich Sinn ergibt.“ Besser sei es, einen Kunststoff so oft wie möglich wiederzuverwenden und ihn erst am Schluss zu verbrennen. So könne daraus noch Energie gewonnen werden.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Sortierter und zu verbrennender herkömmlicher Plastikmüll hier und derselbe Müll wild an jedem Straßenrand, jeder Autobahnauf- und abfahrt zu bewundern, dasselbe wie die unzählbaren Tonnen unverrottbaren Mülls in den Weltmeeren. Es wäre in jedem Fall eine wünschenswerte Alternative, endlich ein in einen natürlichen Kreislauf einmündendes Material zu finden. Unser Planet hat in Milliarden Jahren diese Kreisläufe geschaffen. Uns gibt es noch nicht so lange und wenn wir so weitermachen auch nicht mehr so lange. Besser wir machen uns rasch und innovativ daran, in der Natur ein passendes Material zu finden und zu imitieren.

  • Kleie sind keine Rückstände, die bei der Getreideverarbeitung anfallen: Kleie entsteht nur bei der Weißmehlproduktion - es handelt sich um die ballaststoffreiche Schale, die sogenannte Aleuronschicht und den besonders wertvollen Keimling des Getreidekorns…