Biologisch abbaubarer Kunststoff: Forscher basteln mit Kleie
Plastik ist ein doppeltes Problem: Zur Herstellung wird oft Erdöl benutzt, am Ende landen große Mengen in der Natur. Kunststoff aus Kleie soll Abhilfe schaffen.
Mehrere hunderttausend Tonnen Kleie fielen allein in Bayern jedes Jahr als Reststoff an, sagte Brück. Da Kleie kaum verkauft werden könne, werde sie aktuell von der Mühle verbrannt. Das Forscher-Team versuche, den Reststoff möglichst gewinnbringend weiter zu verwenden.
Auf Basis von Polyhydroxybuttersäure (PHB) sollen flexible Kunststoffe entstehen, die für viele verschiedene Anwendungen genutzt werden können. In den nächsten fünf Jahren solle es die ersten Produkte damit geben, sagte Brück. Bereits jetzt werde ein Staubsauger-Deckel hergestellt, der aus einem Gemisch von PHB und Polypropylen-Carbonat bestehe. Bisher gebe es außer PHB nur wenige andere Bio-Kunststoffe, die schon technisch eingesetzt werden. In Italien etwa werde für Plastiktüten Caprolactam aus Stärke genutzt, das auch biologisch abbaubar sei.
Andrea Siebert-Raths, stellvertretende Leiterin des Instituts für Biokunststoffe in Hannover, sagte, ein Vorteil des bayerischen Ansatzes sei die Verwertung eines Reststoffs. Damit umgehe man die übliche „Tank-Teller-Diskussion“ bei Bio-Kunststoffen. Kritiker werfen Herstellern von Bio-Kunststoffen genauso wie Produzenten von Energiepflanzen vor, Flächen zu verschwenden, auf denen Lebensmittel angebaut werden könnten.
Umweltbundesamt ist zurückhaltend
Zudem sei es wünschenwert, den Plastik-Müll im Meer zu bekämpfen. „Die Bio-Kunststoffe werden da aber nicht das Non-Plus-Ultra sein“, sagte Siebert-Raths. Denn es sei sehr schwierig, einen Kunststoff herzustellen, der als Gebrauchsgegenstand langlebig sei und eine gute Qualität habe und gleichzeitig in der Natur schnell abbaubar sei. Auch bei der gleichzeitigen Anwendbarkeit für viele verschiedene Produkte zeigte sich Siebert-Raths skeptisch.
Bio-Kunststoffe hätten in den vergangenen zehn Jahren stark zugelegt und zeigten weiter hohe Wachstumsraten. Dennoch machten sie von den mehr als 300 Millionen Tonnen Kunststoff, die weltweit pro Jahr produziert werden, nur etwa 1,5 bis 2 Prozent aus. Sie werden unter anderem aus Mais, Kartoffeln, Rüben oder Zuckerrohr hergestellt.
Das Umweltbundesamt ist beim Thema Bio-Kunststoffe eher zurückhaltend. Da es aufgrund der geringen Mengen bisher keine Entsorgungs-Systeme gibt, seien Bio-Kunststoffe in der Ökobilanz bisher nicht besser als normale Kunststoffe, sagte eine Sprecherin. Beim Recycling herkömmlichen Plastiks könnten die biologisch abbaubaren Kunststoffe zudem stören. Auch in Kompostieranlagen würden sie in der Regel aussortiert und letztlich verbrannt. Auch Siebert-Raths sagt: „Wir halten von der Kompostierung nicht viel. Nur da, wo sie wirklich Sinn ergibt.“ Besser sei es, einen Kunststoff so oft wie möglich wiederzuverwenden und ihn erst am Schluss zu verbrennen. So könne daraus noch Energie gewonnen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen