Biologin Anneke Steegh: Sensibel für Identitätsfragen

Anneke Steegh schafft als Gastprofessorin in Hannover Aufmerksamkeit für Gender und Diversität in den Naturwissenschaften.

Eine Frau

Ist vom Guten im Menschen überzeugt: Anneke Steegh Foto: privat

Auf den ersten Blick umfasst das Spektrum der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Leibniz-Universität Hannover (LUH) keine Überraschungen. Es umfasst das Erwartbare, von der Biologie bis zur Chemie, von der Geo- bis zur Lebensmittelwissenschaft. Dass Gastprofessorin Anneke Steegh Biologin ist, passt also gut. Aber Steegh, für zwei Semester Teil des Instituts für Didaktik der Naturwissenschaften, steht für das Unerwartbare. Ihr Job an der LUH: Lehre und Forschung in Gender und Diversity.

„Es geht um den Aufbau von Awareness“, sagt die niederländische Identitätsforscherin und strahlt dabei eine so entspannte Positivität aus, eine so intensive Hoffnung auf das Gute im Menschen, dass beides sich überträgt, aller gesellschaftlicher Düsternisse und Verhärtungen zum Trotz. Steegh lebt seit sieben Jahren in Deutschland; vor Hannover hat sie am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel gearbeitet. Das Thema Gender und Diversity beschäftigt sie seit ihrer Promotion. An der LUH tritt sie an, „gendersensibles und inklusives Handeln“ zu fördern, bei Studierenden wie in der Mitarbeiterschaft.

„Ich liebe es, Menschen mitzunehmen“, sagt sie. Bei den Studierenden seien „die Türen besonders offen“: „Da ist oft schon viel Wissen vorhanden, viel Bewusstheit. Da bewegt sich was, und das ist total schön.“ Steegh spricht mit ihnen über Identitätsmerkmale, strukturelle Ungleichheit, Privilegiertheit.

Erfahrungsgemäß sind bei den Mitarbeitenden die Türen oft schwergängiger. Für Workshops zu Themen wie Macht und Status sind „manche offen, manche weniger“, sagt Steegh. Das Problem ihrer Gastprofessur: Die Teilnahme an allen Angeboten ist freiwillig. „Du kannst das studieren und lehren, ohne mir zu begegnen“, sagt Steegh. „Aber nicht, ohne von mir gehört zu haben.“ Sie lacht. Das tut sie gern.

Ein Fach, das alle betrifft

Misslich ist auch, dass Steegh nur zwei Semester zur Verfügung stehen. Sie hofft, dass das Angebot verstetigt wird. Die Gastprofessur Gender und Diversity existiert bei den Naturwissenschaftlern der LUH zwar schon seit 2011. „Aber seit meinem Vorgänger ist ein Jahrzehnt vergangen“, sagt Steegh. „Davon ist hier nicht mehr viel zu spüren.“

Aber die LUH zeigt sich offen. Derzeit gibt es auch am Deutschen Seminar der Philosophischen Fakultät eine Gastprofessorin für Gender und Diversity: die Linguistin Sina Lautenschläger. Und „im nächsten Semester kommt noch jemand an die Juristische Fakultät“, sagt LUH-Sprecherin Mechtild Freiin von Münchhausen. Bis zu drei solcher Gastprofessuren lassen sich zeitgleich finanzieren.

Die Forschungsstandards der Geschlechter- und Diversity-Forschung, die Steegh interdisziplinär vermittelt, sind die eines noch jungen Fachs, in dem noch viel Grundlagenforschung ansteht. „Viel basiert auf Forschungen aus den USA und Großbritannien“, sagt Steegh. „Aber die Mechanismen, die wir untersuchen, sind ja international gleich.“ Es geht um die Auswirkung von Ethnizität, Alter, Geschlecht und Hautfarbe, von Weltanschauung, sozialer Herkunft, Behinderung und sexueller Orientierung. Kein Fach über Minderheiten; ein Fach über uns alle.

In Hannover hat sie es mit einer mehrheitlich männlichen Klientel zu tun, mehrheitlich weiß. Und sie hat „viel Verständnis für Leute, die für dieses Thema kein Verständnis haben“, die sich mit Ambiguitäten und Grauzonen schwer tun, „denn das ist ja auch ein Teil der Diversität“. Aber sie hat schon Erfolge. Zu ihrer ersten Vorlesung sind 15 Leute gekommen. „Nicht viele“, sagt sie. „Aber immerhin!“

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