Biografie über Guttenberg: Ich bin der, auf den ihr gewartet habt
Guttenberg, der Plagiator, war noch nicht erkennbar für die Autoren seiner Biografie. Dennoch sucht man beim Lesen nach der Vorgeschichte eines Fälschers.
Wie wäre der Tenor dieser Biografie, wenn sie nur einige Wochen später erschienen wäre? Es wäre wohl keine Heldengeschichte geworden. So wie sich das Leben von Karl-Theodor zu Guttenberg in diesem Februar verändert hat, hätte sich auch die politische Erzählung des ersten ausführlichen Buchs über ihn anpassen müssen.
Mindestens ein Teil des Lebens des Verteidigungsministers hätte dann in einem anderen Licht gestanden. Aber es kam anders. Die Autoren Eckhard Lohse und Markus Wehner haben die Danksagung für "Guttenberg - Biographie" am Endes des Buchs bereits im Januar gezeichnet - dem Monat, bevor die Uni Bayreuth Guttenberg seinen Doktortitel aberkannt hat und einer ihrer Wissenschaftler den früheren Werbeträger der Uni als Betrüger beschimpfte.
Die Passage über den Doktoranden Guttenberg erscheint nun in dem Buch reichlich knapp. Über gerade zwei Absätze lassen sich die Schwierigkeiten erahnen, die dem immer noch beliebtesten deutschen Politiker die eigene Dissertation bereitete. "Abschließen kann er seine Doktorarbeit über Jahre nicht", schreiben die Autoren. Im Vorwort der Arbeit habe der Minister selbst bekannt, "wie schleppend und quälend die Niederschrift voranging". Das war es dann auch schon.
Eckart Lohse, Markus Wehner: "Guttenberg - Biographie". Droemer, 300 Seiten, 19,99 Eur. ISBN-13: 9783426275542, ISBN-10: 3426275546
Es ist eine Ironie, dass Guttenberg gerade dieses Vorwort der Arbeit nahezu identisch aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgeschrieben hat - also im Prinzip von Kollegen der Biografen, die bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreiben.
Wertlos wird durch das Fehlen der aktuellen Plagiatsaffäre das Buch über Guttenberg dennoch nicht. Wenn auch der Makel bleibt, dass es mitten in einer politischen Debatte erscheint, die das Land zu spalten scheint, ohne sie auch nur ansatzweise abzubilden.
Weit ausführlicher als in der im vergangenen Jahr erschienenen Guttenberg-Biografie von Anna von Bayern widmet sich das Buch dafür den familiären Wurzeln des Guttenberg-Clans, der "etwas darauf hält, von Adel zu sein". So ordnen Wehner und Lohse detailliert die Verwandtschaftsverhältnisse der Guttenbergs zu den Hitler-Widerständlern der Stauffenbergs und den Nazi-Kollaborateuren der Ribbentrops und zwischen den Bismarcks und dem deutschen Regisseur Florian Henckel zu Donnersmarck - dessen Neffe vierten Grades Karl-Theodor zu Guttenberg ist.
Zum Hochadel gehören die Guttenbergs trotz all der spektakulären familiären Verzweigungen nicht. Den Guttenbergs scheint es nichts ausgemacht zu haben. Mit dem Satz: "Ein fränkischer Freiherr spuckt auf einen bayerischen Grafen", hat die Urgroßmutter Guttenbergs den Stolz der Familie nach Schilderung der Autoren in den Fünfzigerjahren einen Spiegel-Reporter spüren lassen.
Karl-Theodor wächst zusammen mit seinem Bruder Philipp bei seinem Vater auf. Seine Mutter verlässt Vater Enoch zu Guttenberg, als Karl-Theodor fünf Jahre alt ist. Die potenziellen Stammhalter sollen sich an das Leben im gleichnamigen Schloss nahe Kulmbach in Oberfranken gewöhnen, er wächst "mit dem Bewusstsein eines zukünftigen Schlossherrn auf".
Die Jugend mit dem eher un(partei-)politischen Vater beschreiben die Autoren als ein enges Verhältnis, das wegen der reise- und arbeitsintensiven Dirigententätigkeit des Vaters aber auch nicht frei von Spannungen war. Immerhin, so sah Karl-Theodor zu Guttenberg schnell andere Kontinente. Da der Vater überdies seinen Sohn dazu verdonnerte, bei Begräbnissen von Angehörigen oder Feuerwehrfesten Reden zu halten, erklärt sich einiges von der Sicherheit, mit der der Politiker Guttenberg in seiner politischen Laufbahn schnell aufzutreten lernte. "Ein Guttenberg schafft es, ein Bierzelt zum Schweigen zu bringen", zitieren die Autoren den Vater.
Was an kritischen Details über die zusammenkopierte Doktorarbeit in der Biografie fehlt, liefern die Autoren dennoch an zahlreichen Stellen über den jungen Karl-Theodor zu Guttenberg. Er selbst sagt von sich als Schüler, er "habe es immer geschafft, mit relativ geringem Aufwand relativ weit zu kommen", einen "ausgeprägten Hang, für die Schule zu arbeiten, hat Guttenberg nicht", umschreiben es die Autoren. Für den Adel habe Bildung, die Aneignung von Wissen, anders als für das Bürgertum nie eine überragende Rolle gespielt. "Wichtiger waren ihm Charakter, Auftreten, Moral, auch Opferbereitschaft." Auch seinen beruflichen Lebenslauf mit einigen Praktika habe Guttenberg "etwas aufgeblasen".
Der politische Aufstieg Guttenbergs beginnt 2002. In dem Jahr erreicht er mit 30 Jahren und nur drei Jahre nach seinem Eintritt in die CSU erstmals ein Bundestagsmandat. Mit Edmund Stoiber verpasst ein CSU-Politiker nur knapp die Kanzlerschaft im selben Jahr, die Partei schlittert in eine tiefe Krise. "Für die politische Laufbahn Guttenbergs ist das Scheitern Stoibers von entscheidender Bedeutung", folgern Lohse und Wehner. Die Sehnsucht nach einem wie Guttenberg wäre in der CSU andernfalls gar nicht entstanden. Ein wenig mehr rhetorische Fähigkeiten Stoibers hätten vielleicht seinen Erfolg gebracht - und den von Guttenberg verhindert. Hier erzählt die Biografie von den vielen Zufällen, die politische Karrieren plötzlich fördern oder bremsen können.
Dass Guttenberg weiter aufsteigt, wird den Methoden zugeschrieben, mit denen er auch heute Erfolg hat. Er sucht sich als Abgeordneter gern die Position, "mit der er auffällt, weil sie quer zur Mehrheitsmeinung liegt". Von seinem ersten großen Schritt, der Berufung zum CSU-Generalsekretär durch Horst Seehofer im November 2008, will Guttenberg durch die Medien erfahren haben.
Guttenberg bleibt nur drei Monate Generalsekretär, er fällt so viel oder wenig auf wie manch anderer in derselben Zeit. Am 10. Februar wird er mit 37 Jahren der jüngste Wirtschaftsminister des Landes, und schon bald wird er durch ein Nein zu Staatshilfen für Opel und einer damit verbundenen Rücktrittsdrohung zu einem der beliebtesten Politiker Deutschlands. Nach der Bundestagswahl steigt er zum Verteidigungsminister auf.
Doch der Politiker Guttenberg ist vollkommen verwoben mit dem Darsteller Guttenberg, und so widmet die Biografie einen ganzen Abschnitt den Auftritten des Verteidigungsministers. Das Hinaufspringen von Treppen, das Wippen, die offensive Rhetorik bei Reden - es gibt auch keinerlei optischen Ausrutscher in seiner bisherigen Karriere. Ist alles also Show? Nicht nur, folgern die Autoren, seine zur Schau getragene Bescheidenheit ist auch ein Stück Erziehung. Sicher sei allerdings eines: Guttenberg will populär sein - solange es geht.
Lange hatte auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Lohse und Wehners journalistische Heimat, den Aufstieg Guttenbergs positiv begleitet. Gerade die FAS und die FAZ scheinen sich aber in den vergangenen Wochen durch die Plagiatsaffäre weiter von Guttenberg abzuwenden, als dies andere Medien getan haben. Darum ist es besonders pikant, dass gerade in dieser Zeit die Biografie der beiden FAS-Autoren erscheint. Das bringt Spannung: Die Lektüre des Buchs wird unweigerlich auch zu einer Spurensuche nach Anzeichen des Fälschers Guttenberg.
Es mag auch daran liegen, dass Guttenberg nun gerade aus der FAZ das Vorwort seiner Dissertation abgeschrieben hat und sich dadurch das Verhältnis zu der Zeitung abgekühlt hat. Sicher ist aber auch, dass die renommierte Frankfurter Zeitung mit dem Anspruch, eine akademische Leserschaft die ihre nennen zu können, dem Verteidigungsminister eben nicht die Schummelei als Versehen durchgehen lässt. Nicht zufällig haben die Autoren in einem Vorabdruck in der FAS vor einer Woche besonders die kritischen Stellen herausgefiltert und auf drei Seiten den Lesern präsentiert.
Insofern, auch wenn der kuriose Zufall bleibt, dass die Affäre unerwähnt bleibt, bekommt das Buch durch die Veränderungen der vergangenen Wochen einen besonderen Reiz. Und es liefert als erste Guttenberg-Biografie ausführliche Hintergründe zu den Situationen, in denen sich Guttenberg befunden hat - inklusive einer Analyse über die Situation der CSU vor Guttenbergs Aufstieg oder eben dem komplizierten Geflecht des Adels in Deutschland.
Das Phänomen Guttenberg entsteht in einer Zeit, in der die Bevölkerung die Politik mit Argwohn betrachtet. Guttenberg, schreiben die Autoren, kommt in diesem Moment mit seiner Frau aus dem Schloss herabgestiegen und zwinkert dem Volk zu. Ich bin der, auf den ihr gewartet habt. So endet die Geschichte von Lohse und Wehner. Allerdings nun einmal schon im Januar dieses Jahres. Vor der Plagiatsaffäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül