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Biobauer über die Kosten der Milch„Zu wenig kommt in Betrieben an“

Die Biomeierei „Hamfelder Hof“ hat bewusst die Preise erhöht, um noch höhere Tierschutzstandards umzusetzen. Doch nun sind da Pandemie und Krieg.

Höhere Preise machen es möglich: ein tierwohlgerechtes Leben für Kühe Foto: Caroline Seidel/dpa
Friederike Gräff
Interview von Friederike Gräff

taz: Herr Raymann, es ist paradox: Sie haben im vergangenen Herbst die Preise für Ihre Milch erhöht und gewinnen neue Kundinnen und Kunden.

Janosch Raymann: Wir haben sicherlich auch einzelne Kundinnen und Kunden verloren, aber auf der anderen Seite konnten wir auch neue dazugewinnen. In der Summe hat es sich ausgeglichen. Menschen haben uns geschrieben, dass sie durch unser neues Konzept auf uns aufmerksam geworden sind und das gerne unterstützen möchten. Das Entscheidende ist, dass wir nicht einfach gesagt haben, wir erhöhen den Preis um 20 Cent pro Liter Milch, sondern eine konkrete Zielsetzung hatten.

Nämlich?

Wir sehen in bestimmten Bereichen – auch in der ökologischen Landwirtschaft – noch Herausforderungen, die wir angehen wollen. Und dafür benötigen wir einen höheren Milchpreis für unsere Landwirte.

Haben Sie auch denen, die geschrieben haben, uns wird das jetzt zu teuer, geantwortet?

Wir haben sehr viele Zuschriften bekommen und wir haben uns bemüht, allen zu antworten. Es gab sehr viele positive, aber einige haben zum Beispiel nicht geglaubt, dass das Milchgeld wirklich bei den Landwirten ankommt.

Es zeigt doch ein Riesenpro­blem, wenn Landwirtinnen und Landwirte selbst mit den bisherigen Biomilchpreisen, die Tiere nicht so halten können, wie es ihrem eigenen Anspruch entspricht.

Das Ganze ist auch eine Entwicklung in der Art und Weise, wie man glaubt, Tiere richtig zu halten. Auch vor 25 Jahren haben sich die Bio-Landwirt:innen bemüht, die Tiere so zu halten, wie sie es für richtig hielten. Aber früher hat sich zum Beispiel niemand damit beschäftigt, dass eine Kuh es gerne kühl hat. Da wurden die Ställe deshalb eher geschlossen gebaut, während man heute weiß, dass Außenklimaställe besser für die Tiere sind. Grundsätzlich kann man sagen, dass es nicht nur im Biobereich, sondern allgemein ein Problem ist, dass zu wenig Geld bei den Betrieben ankommt. Die Land­wir­t:in­nen können nicht wirklich das umsetzen, was sie für richtig halten. Der Milchmarkt ist eben ein Markt, der immer sehr unter Kostendruck steht und das hat natürlich Auswirkungen.

Geht es da primär um Ställe oder lässt sich das nicht so auf einen Punkt reduzieren?

Nein, das lässt sich nicht auf einen Punkt festlegen. Wichtig ist für uns beispielsweise, dass wir eine kuhgebundene Kälber­aufzucht umsetzen.

Bild: Hamfelder Hof Bauernmeierei
Im Interview: Janosch Raymann

36, Geschäftsführer der Hamfelder Hof Bauernmeierei

Die Kälber werden also nicht sofort von ihren Müttern oder Ammen-Kühen getrennt?

Genau. Es geht uns aber noch um mehr Punkte. Tierhaltung ist eine sehr komplexe Aufgabe und es hilft nichts, wenn ich in einem Bereich sehr gut bin, in anderen aber nicht. Wir haben versucht, ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln: Das geht von der Beleuchtung im Winter über die Gestaltung der Liegeboxen bis zur Versorgung der Tiere. Es gibt Biodiversitätsmaßnahmen, die wir in unseren Betrieben umsetzen wollen, aber auch das Thema Arbeitsbedingungen.

Was ist da zu tun?

Es ist in der Landwirtschaft besonders schwierig, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Da müssen tatsächlich Betriebe aufhören. Bei uns glücklicherweise noch nicht, aber auch da ist es schwer. Das Problem beschränkt sich auch nicht auf die Höfe selbst, sondern mittlerweile auch auf Lohnunternehmer, die man beauftragen kann, um bei der Feldarbeit zu unterstützen. Im Milchviehbereich ist dieses Problem zugespitzt, weil da 365 Tage im Jahr jemand vor Ort sein muss. Das wird gerade für die Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen trotz dieses Konzepts immer noch ein verdammt harter Job sein. Aber der geht vielleicht etwas leichter von der Hand, wenn man das Gefühl hat: Ich kann meinen Betrieb gut aufstellen.

Auf Ihren Milchpackungen stand ein Erklärtext zur Preiserhöhung. Wie kam es dazu, dass Sie sich entschlossen haben, direkt mit den Kundinnen und Kunden zu kommunizieren?

Insgesamt haben wir dieses Konzept über drei Jahre vorbereitet, sowohl, was die dahinter liegenden Maßnahmen angeht, als auch, wie wir das Ganze kommunizieren wollen. Uns war klar, dass eine Preiserhöhung von 20 Cent pro Liter ein großer Schritt ist. Den hatte so bisher auch noch keiner gemacht.

Wie viel war das im Vergleich zum alten Preis?

Das war eine Erhöhung des Ladenpreises um etwa 15 Prozent.

Und das, obwohl klar ist, dass die Deutschen zuallererst an Lebensmitteln sparen?

Die Aufgabe, der wir uns da gestellt haben, bereitet unseren Betrieben natürlich ganz schön Kopfzerbrechen. Das ist teilweise eine komplette Neuaufstellung der Betriebe in einem Umfeld, das insgesamt immer sehr unter Kostendruck steht. Den Betriebsleiter:innen, die sowieso schon jeden Tag 16 Stunden arbeiten, war natürlich wichtig, dass wir das sehr ausführlich diskutieren. Das ist schon ein Wagnis gewesen. Aber noch einmal zu der Beschriftung auf den Milchpackungen: Für uns war das eben die Möglichkeit, transparent zu machen, was wir tun und was wir dafür benötigen.

Da brauchen Sie ja schon eine Käuferin oder einen Käufer, der wirklich genau hinguckt im Milchregal.

Ganz klar, das ist so. Natürlich hilft es uns, dass es uns schon lange gibt und wir da ein Vertrauen aufgebaut haben. Das ist insofern auch vielleicht für uns noch mal eine größere Herausforderung, weil wir eben in der Regel eher zurückhaltend kommunizieren. Bei uns steht zum Beispiel nicht „Weidemilch“ auf der Verpackung drauf. Das ist Standard im Biolandbau und für uns eine Selbstverständlichkeit.

Als Sie die Preiserhöhungen planten, konnte niemand mit dem Ukraine-Krieg rechnen. Nun sparen die Deutschen nicht am Urlaub, aber an Lebensmitteln. Spüren Sie die Auswirkungen?

Grundsätzlich betrifft das den gesamten Biobereich. Der Naturkost-Fachhandel ist meines Wissens nach am stärksten betroffen von diesem Rückgang, wir durchaus auch. Unternehmen, die überwiegend im Discount sind, sind vielleicht weniger betroffen, weil dort deutlich mehr Leute einkaufen.

Wird es für Leute mit wenig Geld jetzt noch schwieriger, Bioprodukte zu kaufen?

Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass man nicht sagen kann, Bio kaufen nur die, die nicht aufs Geld achten müssen. Natürlich fällt es Menschen, die nicht so aufs Geld gucken müssen, leichter, Bioprodukte zu kaufen. Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die überzeugt davon sind, dass es das Richtige ist. Genauso wie es Menschen mit sehr viel Geld gibt, denen das völlig egal ist. Von daher zählen wir zu unseren Kundinnen und Kunden alle Einkommensgruppen. Es hängt sehr mit dem Stellenwert zusammen, den man Lebensmitteln und insbesondere auch deren Erzeugung beimisst. In der aktuellen Situation ist es aber sicherlich so, dass es für manche leider noch schwieriger oder auch gar nicht möglich ist, Bioprodukte zu kaufen.

Die Milchpreise steigen insgesamt. Ist das im Augenblick primär dem Krieg geschuldet?

Der Krieg hat die ganze Lage natürlich zugespitzt. Im Grunde genommen muss man sagen, dass die Auswirkungen der Pandemie natürlich auch eine Rolle spielen. Die Lieferketten sind überall angespannt. Verpackungsmaterialien sind zum Beispiel schon vorher teurer geworden. Im Kern ist der größte Teil der ganzen Preissteigerungen aber über kurz oder lang auf die Energiepreise zurückzuführen.

Kommt die Preiserhöhung dann letzten Endes nicht den Bäuerinnen und Bauern zugute, sondern deckt nur die Kostensteigerungen in der Erzeugung?

Viele von den aktuellen Preissteigerungen tragen, im Gegensatz zu unserer Preisanpassung im Herbst letzten Jahres, nicht zu einer Verbesserung in der Landwirtschaft bei – insbesondere auf Milchviehbetrieben. Grundsätzlich gibt es seit vielen Jahren eine Unterdeckung, die gestopft wird durch die Familienarbeit. Ich hoffe natürlich, dass da auch mal was für die Betriebe übrig bleibt.

Ist das nicht frustrierend, wenn ein Konzept, das eigentlich funktioniert, von Umständen, die man nicht beeinflussen kann, torpediert wird?

Vor 30 Jahren hat niemand Bio gekauft – da sind wir jetzt Lichtjahre weiter, auch wenn immer noch der ganz überwiegende Teil der Lebensmittel konventionell erzeugt ist. Ich bin überzeugt, dass die jetzige Ausnahmesituation nicht den grundsätzlichen Wandel in der Gesellschaft zum Umkehren bringt. Für uns und unser Konzept ist jetzt alles noch mal schwieriger. Aber vielleicht ist es genau deswegen umso richtiger, diesen Weg weiterzuverfolgen und zu sagen: Wir gucken nicht so sehr auf dieses und aufs nächste Jahr, sondern in die weitere Perspektive.

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