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Billardturnier auf dem DorfHeute ein König

Zu Jahresbeginn trifft sich Castell zum Königsbillard. Lange war dafür auch Trinkfestigkeit vonnöten. Wie ist das heute? Ein Erfahrungsbericht.

Königsbillard ist eine spezielle, fast vergessene Form des Tischkugelspiels Foto: Shotshop/imago

J edes Jahr im Januar wird im „Grünen Baum“ in Castell ein Billardtisch im Wirtsraum aufgestellt und in einem sehr genauen Verhältnis zum Wasserhahn auf der Theke positioniert. Dann öffnet das eigentlich geschlossene Gasthaus für drei Wochen seine Türen, zu Trainingszwecken, und am Ende für das abschließende zweitägige Dorfturnier im Königsbillard.

Wobei „Dorfturnier“ eine kolossal untertriebene Bezeichnung ist. Ich habe noch keinen auch nur irgendwie ähnlich gearteten Wettbewerb gefunden, daher ließe sich sicher auch noch von deutschen, europäischen und zugleich von Weltmeisterschaften sprechen. Hier im Ort ist man allerdings eher stolz darauf, dass mit dem Wettbewerb völlig neue Maßstäbe für den Breitensport gesetzt werden. 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Das ist, als würden beim Berliner Marathon nicht die üblichen 45.000 Läu­fe­r:in­nen starten, sondern 220.000, und sie kämen alle aus der Hauptstadt.

Königsbillard ist eine spezielle, fast vergessene Form des Tischkugelspiels. Es hat keine Taschen in den Ecken, sondern sechs Löcher auf dem Feld, die von einem hölzernen Kegel, dem „König“, geschützt werden. Fällt eine Kugel in eines der Löcher, gibt es Punkte – je näher der König dazu steht, umso mehr. Fällt aber der König, sind alle eben erspielten Punkte wieder verloren.

Der Tisch ist nur etwa halb so groß wie beim Poolbillard und wegen der Anordnung der Löcher hält sich der Spieler nur an der kurzen Seite auf, wie beim Flipper. Deshalb war Königsbillard früher für Gasthäuser mit begrenztem Platz attraktiv. Der Casteller Tisch ist Baujahr 1936, von der Marke „Valsonora“ und wird nach wie vor mit 50-Pfennig-Stücken bedient. Ein Spiel dauert um die 12 Minuten, danach gibt der unter dem grünen Filztuch eingebaute Mechanismus keine Kugeln mehr her. Beim Stoß empfiehlt es sich, den Wasserhahn anzupeilen.

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Das Turnier findet seit 1987 statt, in diesem Jahr war es das 33. Mal. Auf der Liste der Billardkönige wechseln sich die großen Familien des Ortes ab: Kaul, Schmidt, Hartmann. Namen, die für viele Angstgegner sind, denn wenn die Herren am Zug sind, fällt Stoß um Stoß eigentlich immer eine Kugel. Andere haben das Turnier in 30 Jahren noch nie gewonnen und eine Frau steht bisher auch nicht in der Siegerliste.

Man braucht bei alldem nicht nur Können, sondern auch Glück. Früher war zusätzlich Trinkfestigkeit vonnöten. Der Unterlegene musste dem Gegner und den Schiedsrichtern jedes Mal einen ausgeben. Heute geht es nüchterner zu, sonst hätte ich nicht auf Anhieb das Achtelfinale und am Ende den 10. Platz erreicht. Ich bin nun stolzer Besitzer einer neuen elektrischen Warmhalteplatte.

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Jörn Kabisch
Autor
Wirt & Autor für taz und FuturZwei
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