Bildungspaket gilt nicht für alle Kinder: Flickenteppich statt Bildung für alle
Ob auch Kinder von Flüchtlingen das Bildungspaket der Bundesregierung in Anspruch nehmen können, liegt in den Händen der Kommunen.
BERLIN taz | Bildung gehört ebenso zum Existenzminimum von Kindern wie Essen und ein Dach über dem Kopf. Das hat Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor gar nicht allzu langer Zeit einmal erklärt. Damit auch Kinder aus Hartz-IV-Familien ausreichend Bildung erhalten, hat sie ein Paket geschnürt.
"Es geht um die langfristigen Chancen der Kinder, die als Erwachsene mit Arbeit auf eigenen Füßen stehen können", sagte die Ministerin. Doch ob das auch für Kinder von Asylbewerbern und geduldeten Flüchtlingen gilt, das ist selbst im Sozialministerium nicht so ganz klar.
Die Leistungen aus dem Bildungspaket "können" ihnen gewährt werden, "wenn sie zur Deckung von besonderen Bedürfnissen im Einzelfall geboten sind", erklärte der Parlamentarischer Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (CDU) auf eine Anfrage der Linken-Sozialexpertin Katja Kipping. Sie können, müssen aber nicht. Und, so Fuchtel weiter: Die Prüfung obliege den Sozialämtern der Kommunen.
Kinder von Asylbewerbern und geduldeten Flüchtlingen erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dort liegen die Regelsätze je nach Alter des Kindes um bis zu 47 Prozent niedriger als die Hartz-IV-Regelsätze. In einigen Bundesländern wird diese Hilfe zudem als Sachleistungen gewährt, so dass diese Kinder Schwierigkeiten haben, an Ausflügen oder am Mittagessen der Schulen teilzunehmen, weil man nicht mit Gutscheinen bezahlen kann.
Uneinigkeit in Bayern und Niedersachsen
Und auch in anderen Bundesländern herrscht beim Bildungspaket für Flüchtlingskinder deutsche Kleinstaaterei. Berlin, Brandenburg und Hamburg haben ihre Sozialämter angewiesen, die Leistungen ohne Wenn und Aber zu gewähren. Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat berichtet hingegen von einem Verwirrspiel in einer Münchener Schule: Während für die Flüchtlingskinder aus der Stadt München Schulmaterial bezahlt wird, wurden die Anträge ihrer Mitschüler aus dem Landkreis München abgelehnt.
Verwirrend ist es auch in Niedersachsen. Nach Darstellung des dortigen Flüchtlingsrates hat die Landesregierung die Kommunen angewiesen, ein Mittagessen in Kita und Schule sowie Geld für Klassenfahrten zu zahlen. Die Teilnahme an Sportvereinen und Musikschulen bleibt ihnen aber verwehrt. Auch die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen lehnt das Bildungspaket für Flüchtlingskinder laut einer Dokumentation des Flüchtlingsrates ab.
Die Gewährung bleibe einer Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes auf Bundesebene vorbehalten. Die Reform ist zwar in Arbeit. Mit einem Ergebnis sei aber nicht so schnell zu rechnen.
Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Katja Kipping, kritisiert die Praxis in einigen Bundesländern als "diskriminierend und rechtswidrig". Es dürfe kein Wohl des Kindes zweiter Klasse geben für Kinder mit noch ungesichertem Aufenthaltsstatus.
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