Bildungsministerium reformiert Bafög: Mehr Empfänger, nicht mehr Geld

Das Bafög soll reformiert werden. Kritiker bemängeln aber, dass eine Erhöhung der Beträge nicht geplant ist – trotz Inflation und gestiegener Kosten.

Viele Studierende in einem Hörsaal

Erstsemesterbegrüßung an der Uni Köln im Oktober 2023 Foto: Christoph Hardt/imago

BERLIN taz | Zum kommenden Wintersemester wird sie kommen, die neue Bafög-Reform. Das kündigte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) an, als sie am Mittwoch den Kabinettsentwurf vorstellte. So zufrieden wie die Ministerin zeigen sich jedoch nicht alle Koalitionspartner mit der geplanten Reform. Grüne und SPD kündigten bereits an, im Parlament für eine Erhöhung der Bedarfssätze kämpfen zu wollen. Auf diese hatten sich die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag eigentlich geeinigt.

Wesentliche Änderung der Bafög-Reform ist, dass die Freibeträge angehoben werden sollen. Das bedeutet, dass mehr Studierende und Schüler Anspruch auf Bafög haben werden. Für Studierende soll es zudem einfacher werden, das Studienfach zu wechseln oder ein Semester länger zu studieren, ohne den Anspruch auf Förderung zu verlieren.

Ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, den der Entwurf aufgreift, ist die sogenannte „Studienstarthilfe“ für Menschen aus finanziell benachteiligten Familien. Sie sollen einmalig 1.000 Euro als Unterstützung erhalten, um Kosten für Bücher, Laptop oder Mietkaution zu stemmen. Berechtigt sind laut Entwurf Studierende, die unter 25 Jahre alt sind und vor ihrem Studium Bürgergeld bezogen haben oder in Familien leben, die durch andere staatliche Leistungen wie den Kinderzuschlag oder Wohngeld unterstützt werden.

SPD und Grüne fordern Beitragserhöhung

Die Höhe des Bafögs aber bleibt unverändert. „Während zu Recht das Bürgergeld, die Renten und die Abgeordnetendiäten an die Inflation angepasst und angehoben werden, bleibt das ausgerechnet bei einem zentralen Instrument der Bildungsgerechtigkeit aus“, kritisierte Matthias Anbuhl, Vorstand des Deutschen Studierendenwerks. Dies sende ein fatales Zeichen an die junge Generation, sagte er der taz.

Mit 452 Euro monatlich liege der Bafög-Grundbedarf deutlich unter dem Bürgergeld mit 563 Euro, was die Bundesregierung als soziokulturelles Existenzminimum definiere. „Studierende sind aber keiner Bür­ge­r*in­nen zweiter Klasse, sie essen, trinken und heizen nicht weniger als andere Menschen“, so Anbuhl weiter.

Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte Stark-Watzinger 150 Millionen Euro für eine Bafög-Erhöhung in Aussicht gestellt. Ihr Entwurf sieht vor, nur rund 61 Millionen davon zu nutzen. „Den Löwenanteil von 89 Millionen soll Bundesfinanzminister Christian Lindner für die Haushaltssanierung einkassieren. Das darf sich das Parlament nicht gefallen lassen“, fordert der Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller.

Auch in der Ampelkoalition gibt es Kritik an dem Entwurf der Bildungsministerin. Die SPD-Bundestagsfraktion wolle sich dafür einsetzen, dass die Bafög-Leistungen erhöht werden, erklärte ihr bildungspolitischer Sprecher Oliver Kaczmarek. Es brauche ein Vorgehen, damit das Bafög auch in den kommenden Jahren regelmäßig an die Lebenskosten angepasst werde. Auch Laura Kraft, Obfrau für die Grünen im Bildungsausschuss, hofft darauf, dass der Kabinettsentwurf im Parlament noch einmal überarbeitet wird: „Die Bedarfssätze müssen angehoben werden“, erklärt sie gegenüber der taz.

Schuldenlast für Studierende steigt

Auch die Wohnpauschale von monatlich 360 Euro müsse laut Kraft an die gestiegenen Mieten in Hochschulstädten angepasst werden. Bereits 2021 lagen die durchschnittlichen Mietausgaben der Studierenden laut der 22. Sozialerhebung mit 410 Euro im Monat deutlich über der Pauschale. Durch Krieg und Inflation dürften die Mieten in den vergangenen Jahren weiter gestiegen sein.

Nicole Gohlke, Bildungssprecherin der Gruppe Die Linke, hält den Reformentwurf für eine „sozialpolitische Katastrophe“. Gohlke kritisiert, dass Studierende mit der geplanten Reform in Zukunft nach dem Studium ihren Bafög-Anteil schneller zurückzahlen müssen. Die monatliche Rückzahlungsrate ehemaliger Bafög-Empfänger soll von 130 auf 150 Euro steigen. „Statt einer dringenden Anhebung von Wohnkostenpauschale oder Bedarfssätze erhöht die Ampel lieber die Darlehenshöchstsumme und treibt Studierende damit weiter in die Schuldenfalle“, so Gohlke.

Mangelnde Digitalisierung

Auch bei der Digitalisierung bleibe der Reformentwurf Fortschritte schuldig, bemängelt Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zwar können Bafög-Anträge inzwischen über ein Online-Portal oder per App eingereicht werden. Alles, was digital im Amt ankommt, muss dort jedoch ausgedruckt und meist in einer analogen Akte aufbewahrt werden. Laut Stark-Watzinger liege die vollständige Digitalisierung der Antragsbearbeitung in der Hand der Länder. Der vorgestellte Kabinettsentwurf soll in der kommenden Woche im Bundestag verhandelt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.