Bildung: Die neuen Kinder der Novalis-Schule
Ein Verein will zwei neue Schulen gründen. Sie sollen Nachfolger der umstrittenen Novalis-Schule in Köpenick werden. Deren Lehrer waren im vergangenen Jahr entlassen worden. Eltern hatten ihnen mangelhaften Unterricht vorgeworfen.
Die skurrile Geschichte um die ehemalige Novalis-Schule in Köpenick geht weiter. Der Verein "Pro Novalis-Schule" hat gleich zwei Anträge auf Neuzulassung einer Schule gestellt. Ab Herbst wollen sie sowohl in Bernau als auch am alten Schulstandort in Köpenick neu starten. In diesen Tagen lädt der Verein zu Infoveranstaltungen an beide Orte. Ziel sei die Gründung einer "Schule in Freier Trägerschaft auf der Grundlage der Pädagogik Rudolf Steiners", heißt es in einem Infobrief an Eltern.
Im vergangenen Frühjahr hatte in der Novalis-Schule in Köpenick der Elternverein sämtlichen Lehrern gekündigt und ihnen Hausverbot erteilt. Vorwürfe an die Lehrer waren finanzielle Unregelmäßigkeiten und ein zu autoritärer Führungsstil. Einzelne Eltern sprachen damals gegenüber der taz von tätlichen Übergriffen von Lehrern auf Schüler. Der Religionslehrer Tilman W. soll dem damaligen Elternvertreter Horst von Dabrowski zufolge die Schule geleitet haben "wie ein Guru eine Sekte". Und Köpenicks Bildungsstadtrat Dirk Retzlaff (SPD) hatte eine hohe Fluktuation von Schülern dieser Schule beobachtet. Ehemalige Novalis-Schüler, die wieder an einer staatlichen Schule gelandet waren, zeigten oft riesige Lernrückstände, hatte Retzlaff erklärt.
Tilman W. ist es nun auch, der die Einladungen zu der Infoveranstaltung an die Eltern unterschrieben hat. Ihm und seinen gekündigten Kollegen hält der Verein Pro Novalis-Schule die Treue. Vereinsvorsitzende Irina Dawydowa, Mutter einer ehemaligen Novalis-Schülerin, erklärt: "Ich war von der Pädagogik an der ehemaligen Novalis-Schule überzeugt. Es lohnt sich aus meiner Sicht deshalb, eine neue Schule zu gründen."
Stephan Breiding vom Bildungsministerium in Potsdam bestätigt, dass ein Antrag des Vereins auf Schulgründung in Bernau fristgerecht eingegangen ist. "Er wird derzeit geprüft. Mit einem Prüfergebnis ist in einigen Wochen zu rechnen." Vorsichtiger äußert sich Bernhard Kempf von der Berliner Schulverwaltung. "Unklar ist, ob die Schule, wie vom Antragsteller beabsichtigt, mit Beginn des neuen Schuljahres starten kann." Der Antrag wurde erst im Februar gestellt.
Steht ein Antragsteller auf dem Boden des Grundgesetzes, habe eine Verwaltung nicht dessen weltanschauliche Gesinnung zu bewerten, sagt Ministeriumssprecher Breiding aus Potsdam. "Wir prüfen etwa das Finanzierungskonzept, die Rahmenlehrpläne, die Qualifikation der Lehrer und die Eignung des Gebäudes für eine Schule." Entspricht dies alles den gesetzlichen Anforderungen, muss die Schule genehmigt werden, denn das Grundgesetz schützt das Recht auf Gründung freier Schulen weitgehend.
Detlef Hardorp von der Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen Berlin-Brandenburg legt Wert auf die Feststellung, dass die Novalis-Schule trotz ihrer Berufung auf Rudolf Steiner nie als Waldorfschule anerkannt war. "Wir haben dem Initiator dieser Schule, Tilman W., bereits im Jahr 1998 als Geschäftsführer einer Berliner Waldorfschule gekündigt, weil er den Eltern Versprechungen gemacht hat, die nicht haltbar waren. Dabei hat er einigen Eltern Einlagen aus der Tasche gelockt, die über sein Privatkonto bei einem dubiosen Investor verschwanden."
Hardorp rät dem Ministerium, den Antrag auf Schulzulassung kritisch zu prüfen. "Das Schulgesetz schreibt vor, dass die Qualität einer freien Schule nicht hinter der einer staatlichen zurückstehen darf. Und genau das bezweifle ich bei einer Schule, die von Tilman W. maßgeblich mitbetrieben wird." MARINA MAI
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