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Bildung in der CoronakriseSchule schon wieder rum

Im Berchtesgadener Land sind Schulschließungen bereits Realität. Die Kultusministerien wollen das großflächig jedoch verhindern. Klappt das?

Lüften hilft! Unterricht in der Freiherr-vom-Stein-Schule in Bonn Foto: Wolfgang Rattay/reuters

Berlin taz | In einem bayerischen Landkreis ist es schon wieder soweit. Die Schulen im Berchtesgadener Land sind geschlossen, die Schüler:innen werden digital zu Hause unterrichtet, denn das Coronavirus grassiert im Landkreis derzeit so stark wie fast nirgendwo sonst in Deutschland. Eltern protestieren hier seit Tagen mit Mund-Nase-Bedeckung und Abstand gegen diese Entscheidung. Zudem haben sie eine Petition gegen die Maßnahmen gestartet: 3579 Unterstützer:innen haben bereits unterschrieben. Bundesweit fragen sich Eltern seitdem: Ist Homeschooling bald wieder im ganzen Land Alltag?

Die Antwort der zuständigen Kultusministerien in den Ländern ist klar: Schulschließungen sollen umgangen werden und zwar so lange wie möglich. Das betont die Kultusministerkonferenz (KMK) vehement. Es wird darauf hingewiesen, dass Schulen vergleichsweise selten zu den Infektionsherden gehörten. Deshalb erarbeitete die KMK einen länderǘbergreifenden Beschluss, welche Präventionsmaßnahmen wann sinnvoll sind. Welche Maßnahmen konkret ergriffen werden, entscheiden dann vor allem die lokalen Gesundheitsämter mit Blick auf das Infektionsgeschehen.

So richtig sicher, dass es gelingen wird, die Schulen flächendeckend offenzuhalten, scheinen die Kultusministerien auf Nachfrage nicht: „Wir tun alles, um die Schließungen zu vermeiden – aber zum jetzigen Zeitpunkt kann das nicht ganz ausgeschlossen werden“, sagt etwa Martin Klesmann, Pressesprecher der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.

Stattdessen soll versucht werden, den Stufenplan – Maßnahmen, die sich an den veränderten Infektionswerten orientieren – solange wie möglich einzuhalten. Statt sofort Schulen zu schließen sollen zuerst weniger drastische Schritte eingeleitet werden und die Regeln bei Bedarf Schritt für Schritt verschärft werden.

Von der ersten Welle gelernt?

Die aktuellen Zahlen seien ein Warnschuss, sagt Birgit Hilmer. Sie ist Teil von „Familien in der Krise“, einem bundesweiten Zusammenschluss von Eltern. „Seit Monaten ist klar, dass Herbst und Winter in Coronazeiten für Kinder und Jugendliche schwierig werden. Die Kultusministerkonferenz hat sich zu wenig damit auseinandergesetzt, sinnvolle Maßnahmen für Schulen zu entwickeln“, sagt sie. Probleme sieht Hilmer etwa beim digitalen Lernen: „Die Schüler:innen müssen in den Schulen den Umgang mit Tablets lernen, sonst ist der Betreuungsaufwand zu Hause zu hoch“.

Klesmann von der Berliner Senatsverwaltung weist solche Kritik zurück. Er betont, dass die Schulen deutlich besser vorbereitet seien, Unterricht zu Hause zu gestalten. „Wir haben viel aus den ersten Schulschließungen gelernt“, sagt er. In Berlin seien 9500 Tablets für Schüler:innen aus bedürftigen Familien gekauft worden, damit der Unterricht im Falle einer Schulschließung weiterlaufen könne. Zudem seien zusätzliche IT-Kräfte angestellt worden, die sich um die reibungslose Betreuung der digitalen Schule kümmern sollen. „Insgesamt sehen wir die Krise als Chance, denn alle haben ihr möglichstes gegeben, um daraus zu lernen“, ist sich Klesmann sicher.

Neben den Maßnahmen wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der gesamten Unterrichtszeit oder dem permanenten Lüften hebt Günther Schuster, Pressesprecher des bayerischen Kultusministeriums, besonders die Stärken des Wechselunterrichts mit halbierten Klassenstärken hervor. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme, mit der Gesundheitsämter und Schulen auf steigende Infektionszahlen reagieren können, ohne gleich alle Schüler:innen nach Hause schicken zu müssen. Stattdessen ist meist im wöchentlichen Wechsel die Hälfte einer Klasse in der Schule präsent, während die anderen Schüler:innen parallel digital zu Hause unterrichtet werden.

Das Konzept des Wechselunterrichts in seiner derzeitigen Form findet Hilmer von „Familien in der Krise“ dagegen verbesserungswürdig: „Eltern werden alle zwei Wochen vor ein Betreuungsproblem gestellt, wenn die Kinder dann zu Hause unterrichtet werden.“ Eine Alternative dazu? „Man könnte zum Beispiel die eine Hälfte der Klasse vormittags und die andere nachmittags beschulen.“ Hilmer räumt aber ein: „Dann müssten allerdings die Lehrkräfte noch deutlicher entlastet werden.“ Sie kritisiert, dass über Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft politisch mehr verhandelt werde, als über Möglichkeiten, wie Schüler:innen für den Unterricht angemessen ausgestattet werden können.

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17 Kommentare

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  • Viele Schüler haben nicht die Mittel, von Zuhause aus zu arbeiten. Dazu gibt es in einigen Familien auch immer schwierige Umstände.



    Kinder mit Geschwistern wohnen auch in einem Zimmer, da ist digitaler "Präsenzunterricht" schwierig.



    Hier liegt auch die Schwierigkeit von daheim zu unterrichten. Nicht nur am fehlender Hardware an den Schulen.

  • 1G
    15797 (Profil gelöscht)

    Bei den Covid Zahlen ist es egal und irrelevant ob die Schule ein Hotspot ist oder nicht, genau wie die Frage: Was war zuerst da, die Henne oder das Ei.



    Das Problem liegt doch mehr bei der Umsetzung des Bekannten, auch wenn es für Covid wenig ist. Es wird ja nicht einmal der Versuch unternommen, potentielle Gefahren zu erkennen. Selbst fiebernde Kinder kommen ungehindert in die/ihre Klasse. Ob es Covid ist oder nicht, ist erst mal egal. Aber ein kleines elektronisches Fieberthermometer könnte erst mal einige Verdachtsfälle herausfiltern.



    Auch Unterrichtsfächer, die weniger relevant sind, koennte man etwas kappen, so das man Klassen eventuell teilen und in einer Schichtbetrieb unterrichten kann/koennte und die viel verleugnete IT koennte auch Lehrer innerhalb der Schule entlasten - weniger Vorbereitung nötig, damit könnten einige Extra Stunden ohne Mehrarbeit unterrichtet werden.



    Standard Unterricht könnte voll digitalisiert werden - als Video on demand und der Lehrer greift nur noch erklärend/bei Bedarf ein.



    Es liegt am Willen und den Fähigkeiten, so dass die Auswirkungen von Covid Ausbrüchen ernsthaft verringert werden können.



    Sicher ist IT nicht der Ersatz des Unterrichts, wenn aber richtig eingesetzt, kann es Lehrer Kapazitäten freisetzen.



    Die IT kann auch Unterrichtsstoff für Schüler auch bei geschlossenen Schulen bereitstellen - allerdings, nicht jeder Schüler hat die Hardware dafür.



    Was wirklich schlimm ist - NICHTS, aber auch gar nichts ist nach so 10 Monaten Covid zu sehen, nicht mal in Ansaetzen

  • Vernünftig wäre jetzt ein ziemlich harter Lockdown, und der muss natürlich auch für Schulen gelten. Wenn sich das Virus irgendwo rapide und unauffällig verbreitet, dann dort.

    Aber die Wirtschaft will es nicht, und die Eltern wollen es auch nicht - verständlicherweise. Also wird es nicht gemacht. Das ist Wahnsinn.

    Stattdessen wird auf "Hygienekonzepte" verwiesen. Die gibt es, ja. Können bloß nicht umgesetzt werden, wie dumm. Vor allen das "A & O", das Lüften, funktioniert in vielen Schulen nicht. Fenster sind nur einen Spalt weit zu öffnen, damit die Kinder nicht rausfallen.

    Digital funktioniert auch nicht. Wie sollte es auch? Digitalisierung war ja nie eine pädagogische Initiative, sondern immer nur Show - kam super an. So trendy und cool...

    Scheiß-verlogene Gesellschaft! *kotz*

    • @zmx52:

      Vernünftig wäre jetzt ein ziemlich harter Lockdown, und der muss natürlich auch für Schulen gelten. Wenn sich das Virus irgendwo rapide und unauffällig verbreitet, dann dort.

      Und das wissen Sie woher? Ich kenne keinen Fall, in dem nach einem positiven Fall in einer Schulklasse, eine nennenswerte Anzahl an Mitschülern infiziert war (geschweige den rapide verbreitet wurde). Jetzt bin ich auf Ihren Beleg gespannt. Nur so wegen verlogen und so...

  • Also ich weiss ja ned was alle gegen Homeschooling haben für mich wäre es ein Traum gewesen... Keine Zeitverschwendiung durchs Pendeln , kein unnötiges Geschwafel von Lehrern kein Mobbing.... alles in allem ideale Lernbedienungen.

    • @Mario Rinder:

      ich kanns ihnen schon sagen



      auser Wissensvermittlung ist für Kinder die soziale Interaktion sehr wichtig.



      Gleichaltrige treffen mit ihnen austauschen. Struktur im Tagesablauf etc.



      Den Kindern gehts bei bester Betreuung zuhause nach einer Weile nicht mehr gut.



      Wie es bei schlechter Betreuung zuhause aussieht kann man sich vorstellen.

    • 1G
      15797 (Profil gelöscht)
      @Mario Rinder:

      Homeschooling, welche Eltern können das? Das ist erheblich mehr als nur die Kinder ruhigzustellen.



      Selbst wenn man das kann, wer von den vielen Eltern kann es sich finanziell leisten, dafür zu Hause zu bleiben? Und was machen die, die eventuell trotzdem als "Systemrelevante" arbeiten muessen?



      Wo lernen Kinder die soziale Grundordnung kennen? Wie viele Jahre soll das gehen?



      Homeschooling kann nur eine kurzfristige Notlösung sein, aber kein Dauerzustand

      • @15797 (Profil gelöscht):

        Also die in der Schule gelernte "soziale Grundordnung" ist wirklich nichts erhaltswertes (mag sich geändert haben).

        • 1G
          15797 (Profil gelöscht)
          @BluesBrothers:

          Will ich nicht dementieren. Es ist jedoch wichtig, das Kinder den Umgang mit Gleichaltrigen sowie Jüngeren und Älteren Kindern lernen sowie auch den respektvollen Umgang mit anderen Menschen.



          Gesellschaftlich sind auch; Hände waschen, Unterschiede zwischen Mein und Dein, man ist nicht immer der Erste in der Schlange, Teambuilding, Anti-Mobbing ....



          Ich finde sowas wichtig, besonders im Schulalter, selbst wenn es kein Schulfach ist.



          And den jetzigen sozialen Brennpunkten sieht man ja, das gewisse Normen nicht mehr (in der notwendigen Hoehe) existieren.

  • "Wasch mich, aber mach mich nicht nass?"

    Dass die Schule bisher keine große Rolle bei der Verbreitung von Corona gespielt haben soll, lasse ich mal dahingestellt.



    Dass es in einer Schule mit über 1000 Schülern sicherer sein soll als an anderen Orten, an denen viele Menschen sich, teils für längere Zeit, im gleichen Raum aufhalten, möchte ich anzweifeln. Die Schüler sitzen eng beisammen und man kann sie besonders in den Pausen nicht dauerhaft davon abhalten, (z.B. beim Spielen) Körperkontakt aufzunehmen.

    Das heißt, es ist für mich absehbar, dass das recht bald nicht mehr gut geht und wenn man das bemerkt, ist das Virus dort bereits eine Weile im Umlauf, weil die Symptome eher bei älteren Verwandten als bei den Kindern auftreten werden. Und wenn man dann mal ernst nimmt, ist das Kind womöglich endgültig im Brunnen.

    Was mich wirklich sehr stört ist der Satz "die Lehrkräfte [müssten] NOCH DEUTLICHER entlastet werden".



    Das impliziert, die Lehrkräfte würden durch Corona irgendwie entlastet. Dafür hätte ich gern ein Beispiel.



    Ich sehe momentan nur zusätzliche Belastungen durch mehr Aufsichten, ständiges Hinweisen auf Regeln, die die Schüler mehr oder weniger ernst nehmen - oder halt überhaupt nicht einsehen.

    Wenn man die Kinder jeweils schichtweise an Vor- und Nachmittagen unterrichtet sehen will, dann liegt die Lösung insbesondere an weiterführenden Schulen, wo nicht mal eben der Deutschlehrer auch Mathe, Bio und Musik mit unterrichtet, mit aktueller Lehrerzahl bei halb soviel Stunden pro Gruppe, oder wenn's denn alle Stunden sein sollen, bei doppelter Lehreranzahl.



    Letzteres Modell halte ich angesichts der Tatsache, dass allerorten geschulte Lehrkräfte fehlen, für weltfremd, ersteres für eine "Mogelpackung", die Eltern in manchen Fällen womöglich, in vielen Fällen aber kein bisschen weiterhilft. Da müssten dann in ländlichen Gegenden außerdem die Schulbusse doppelt so oft fahren, was erfahrungsgemäß auch sehr problematisch sein könnte.



    Also offen lassen und hoffen.

    • @mm³:

      Wunderbarer Kommentar. Danke. Alle Aussagen decken sich mit der Situation an unserem Gymnasium. Ich denke es ist eine Art russisches Roulette mit dem Offenhalten von Schulen und Kitas. Unheilvoll standen eben zwei Artikel im NDR C19 Blog direkt untereinander: 1) man rätselt warum von 300 Neuinfektionen nur bei 18 bekannt ist, woher sie kamen 2) Schulen sind keine Quelle der Infektionen. ...ich hoffe sehr, dass wir uns gesellschaftlich nicht gerade ins Knie schiessen. LG

  • Der Blick von uns(mir) Maskenträgern hat sich mittlerweile auf die Augen fokusiert.



    Der junge Mann im Bild hat ein Grinsen in den Augen, dem Mädchen(?) haben sie extra noch den Kunstpelz inne Augen zurecht gezupft.



    Ich finde Homeschooling in dieser speziellen Situation ausbaufähig und stimme Herrn Klesmann von der Berliner Senatsverwaltung zu.



    Nur mit Doro( Das Lichtschwert) Bär, Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung habe ich so meine Zweifel.

    • @Ringelnatz1:

      Als Elter zweier Realschulkinder in Bayern graust es mir vor nichts mehr als Homeschooling. Ernsthaft. Ich gehe von mindestens einem Nachholjahr für den Junior aus.

      • @airikr:

        Kann ich nachvollziehen.

        Ich habe in Berlin die Entwicklung einer Grundschule zum Digi-Hotspot mit verfolgt. Frau war Lehrerin! Die Situation ist natürlich immer auf die eigenen Lebensumstände und vor allen Dingen Handlungsumstände bezogen.



        Also, wenn die Achse Lehrer, Technik(Möglichkeiten) zu Hause, Gesundheit, in Einklang zu bringen ist, gibt es eine Chance .

        • @Ringelnatz1:

          Zitier ich mal - “in praxi*“ - ming Jüngsten - Arschitektur MS - “…tierisch anstrengend - zieht sich halt - anders als ne Vorlesung - mit Unterbrechungen über den ganzen Tag - mit den Fragen - das ist schwer schwierig …usw usf“



          War heilfroh - als sie wieder ne Übung im klein-klein machen konnten (autofreie Stadtb - geiles Teil(als alter PlanfeststellerRi kennste a weng von!))



          Alles nur Kinderschuhe ??? - Aufmerksamkeitslevel??



          Wo doch heute (eigene Beobachtungen too) schon mehr als belegt is - zB via fake-mails in die Vorlesungen - daß der Zugewinn/Lerneffekt via Vorlesungen - heute weit entfernt ist von unserer - von der vordigitalen Zeit •

          kurz - & Natalije - nu komms du!

        • @Ringelnatz1:

          Fehler von mir1:

          Geht an @AIRIKR!

  • Bei dem Bild dachte ich gerade, ich bin in der Sesamstraße.

    Gibt es da auch Schulen? Und Pandemien?