Bilanz von Joe Biden als US-Präsident: Außenpolitik eher so lala
Industrie stärken gegen den Klimawandel, Waffen gegen Russland: Wie fällt Joe Bidens bisherige Bilanz als US-Präsident aus? Ein Überblick.
Gesellschaftlich sind wichtige Entwicklungen eher an Biden vorbeigelaufen. Er ernannte mit Kentanji Brown Jackson zwar die erste schwarze Frau zur Richterin des Supreme Court. Aber als das höchste US-Gericht 2022 das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche kippte, konnte Biden nur zuschauen; die Mehrheitsverhältnisse im Kongress verunmöglichten jede Gesetzesänderung. Gleiches gilt für das Waffenrecht.
Einen großen Abdruck hat der 46. Präsident dagegen in der Wirtschaftspolitik hinterlassen. Im Gedächtnis bleiben werden vor allem drei Buchstaben: IRA. Sie stehen für „Inflation Reduction Act“ und bezeichnen das vor knapp zwei Jahren verabschiedete Gesetzespaket, mit dem Biden die Konjunktur ankurbeln, neue Jobs schaffen und die Energiewende vorantreiben will. Mehr als zwei Billionen US-Dollar will er dafür mobilisieren.
Eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung lobt die Initiative. „Der IRA ist ein sehr ausgeklügeltes Programm zur Förderung CO2-neutraler Energieerzeugungs- und Klimaschutztechnologie“, heißt es dort. Der IRA habe für eine Aufbruchstimmung in der US-Wirtschaft gesorgt – während in Europa weiter Sorge herrscht.
Insbesondere die deutsche Automobilindustrie sieht den IRA kritisch. Denn er verspricht milliardenschwere Prämien für E-Autos – die aber nur fließen, wenn die Fahrzeuge zu einem großen Teil in den USA gebaut werden. Die europäische Branche sieht sich deshalb benachteiligt. Letztlich macht Biden aber genau das, was sich Ökonom:innen auch für die Transformation Deutschland und Europa wünschen: aktiv und ambitioniert Industriepolitik betreiben und die dafür notwendigen Finanzmittel mobilisieren.
„Wenn ich an den Klimawandel denke, denke ich an Arbeitsplätze“, sagte Biden von Beginn an. Über 300.000 neue „grüne Jobs“ haben seine Investitionen laut der Klimaschutzorganisation Climate Power bereits geschaffen. Auch ein Projekt seiner Finanzministerin Janet Yellen war von Erfolg gekrönt: Auf ihre Initiative hin einigten sich die OECD-Staaten 2021 auf eine 15-Prozent-Mindeststeuer für Unternehmen.
Afghanistan, Ukraine, Israel
Außenpolitisch wird Bidens bisherige Amtszeit von drei Krisen bestimmt: Afghanistan, Ukraine, Israel – mit durchwachsener Bilanz. In Afghanistan erbte Biden einen Deal Trumps mit den Taliban, die nach 20 Jahren Truppenpräsenz einen Rückzug aus dem Land vorsah. Biden wollte diesen „forever war“ rasch abwickeln – um jeden Preis: Als die Taliban im August 2021 Kabul einnahmen, versuchten afghanische Zivilisten auf der Flucht vor den Islamisten verzweifelt in den Flughafen zu gelangen, klammerten sich an ausfliegende amerikanische Transportflugzeuge und fielen in den Tod. In Ländern wie Somalia oder Jemen reduzierte Biden die amerikanischen Drohnenschläge im Vergleich zu Trump drastisch.
Resolut dagegen war die amerikanische Antwort auf den russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022. Seitdem haben die USA der Ukraine 175 Milliarden US-Dollar an Hilfen bereitgestellt. Biden zeigte sich unverbrüchlich an der Seite seines Amtskollegen Selenskyj und lieferte schweres Geschütz, damit die Ukraine dem russischen Angriffskrieg trotzen kann. Die Regierung in Kyjiw sorgt sich deshalb um einen möglichen Sieg des Isolationisten Trump.
Zum Ende seiner Amtszeit setzt der Gaza-Krieg Biden unter Druck. Unmittelbar nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 sicherte der Präsident dem jüdischen Staat seine bedingungslose Solidarität zu. Doch dann trug Israel den Krieg mit voller Wucht nach Gaza und attackierte nicht nur die Hamas, sondern auch die Lebensgrundlagen der Zivilbevölkerung, während Regierungspolitiker wie Premier Netanjahu genozidale Sprache bemühen.
Trotzdem rückte Biden nur langsam von Netanjahu ab – was ihn bei studentischen und arabischstämmigen Wähler:innen politisches Kapital kostete. Beharrte Biden in der Ukraine noch auf dem Völkerrecht, blieb er hier stumm. „Internationales Recht für dich, aber nicht für mich“, ist ein lang bekanntes Motiv der US-Außenpolitik. Und es scheint auch in der Präsidentschaft Joe Bidens durch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby