Bidens erste Pressekonferenz: Der Erwartungsmanager
US-Präsident Biden gibt sich beim ersten Pressetermin im Weißen Haus bescheiden. Seine Strategie: wenig ankündigen und es dann überbieten.
„Die Hilfe ist hier“, sagte der neue Präsident bei seiner ersten Pressekonferenz im Weißen Haus. Zugleich kündigte er sein nächstes großes Vorhaben an: ein massives Infrastrukturprogramm. Auf andere Fragen – von der Einwanderungspolitik über die Blockade der RepublikanerInnen im Senat bis zur Schusswaffenkontrolle – blieb er konkrete Antworten schuldig.
Wer bei der ersten Pressekonferenz des neuen Präsidenten auf eine Neuauflage der Schau von seinem Amtsvorgänger gehofft hatte, wurde am Donnerstag enttäuscht. Biden beleidigte niemanden, verwies mehrfach auf die Arbeit von MinisterInnen und seiner Vizepräsidentin, sagte an verschiedenen Stellen, dass er keine Antwort habe und verhaspelte sich kein einziges Mal. Er war gut gelaunt und behandelte die JournalistInnen, die sein Amtsvorgänger als „Staatsfeinde“ beschimpft hatte, höflich.
„Natürlich kommen die MigrantInnen aus Zentralamerika nicht in die USA, weil ich so ein netter Kerl bin“, sagte er einer Reporterin. Einer anderen, die wissen wollte, ob er 2024 erneut kandidieren werde, antwortete er mit breitem Grinsen: „Davon gehe ich aus“.
Moralische Schwere
Auf andere Fragen antwortete Biden mit moralischer Schwere. Die Serie von Gesetzen zur Einschränkung des Wahlrechts in republikanisch regierten Bundesstaaten? „Unamerikanisch“ und „krank“. Ein neunjähriger Junge aus Honduras, der allein in die USA gekommen ist? „Ich werde ihn nicht jenseits der Grenze verhungern lassen“. Die Blockadepolitik der RepublikanerInnen im Senat mit dem Filibustern? Ein „Missbrauch“.
Darüber hinaus erwähnte Biden die Rolle der Gewerkschaften beim Entstehen der US-amerikanischen „Middle Class“ und seine Absicht, künftig „die Arbeit und nicht den Wohlstand“ zu honorieren.
Bidens Ziele waren unschwer zu erkennen. Dem Präsidenten ging es darum, die Erfolge seiner Regierung zu feiern, bevor sie in Vergessenheit geraten. Und zugleich im Stil auf Distanz zu Donald Trump zu gehen. Nachdem der vier Jahre lang bei jedem Auftritt geprahlt hat, probiert Biden nun ein demonstrativ bescheidenes Auftreten.
Er kündigt Projekte an, die seine Regierung anschließend überbietet. Bevor Biden am Donnerstag erklärte, dass bis zu seinem 100. Tag im Amt 200 Millionen Covid-Impfungen in den USA verabreicht werden sollen, hatte er öffentlich nur die Hälfte davon geplant.
Die KorrespondentInnen in Washington hatten auf die erste Pressekonferenz, die zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt kam, gedrängt. Anders als in den ersten Wochen von Trumps Amtszeit, als beinahe täglich neue Geheiminformationen aus dem Weißen Haus durchsickerten – etwa Trumps Frage, ob Folterzentren des CIA wiederbelebt werden könnten – funktioniert das Team von Biden bislang wie eine nach außen geschlossene Front.
Keine Verschärfung des Waffenrechts
Beim Thema Südgrenze, wo RepublikanerInnen und rechte Medien angesichts tausender MigrantInnen in den letzten Wochen eine neue Krise herbeireden, versuchte Biden bei seiner Pressekonferenz, Entwarnung zu geben. Er nannte die gegenwärtigen Einwanderungsversuche jahreszeitbedingt und verglich sie mit den Wintermonaten in früheren Jahren vor der Pandemie.
Zugleich betonte er, dass die meisten Neuankömmlinge – einzelne Erwachsene und Familien – umgehend abgeschoben würden. Anders als sein Vorgänger will er jedoch Familien nicht an der Grenze trennen. Auch will er allein ankommende Minderjährige zunächst in den USA aufnehmen. Biden kündigte zudem an, dass die Minderjährigen in den nächsten Tagen aus den Lagern des Grenzschutzes heraus und in andere Unterkünfte gebracht werden sollen. Doch er sagte nicht, wann JournalistInnen die überfüllten Unterkünfte besuchen könnten.
Trotz der beiden großen Massenmorde in Atlanta und Boulder und verschiedener kleiner Schießereien in den zurückliegenden Tagen kündigte Biden auch keine Verschärfungen im Schusswaffenhandel an. Im Senat haben die RepublikanerInnen klargemacht, dass sie solche Reformen verhindern wollen.
„Es ist alles eine Frage des Timings“, sagte Biden, „Präsidenten sind zu großen Teilen dann erfolgreich, wenn sie den richtigen Zeitpunkt erkennen“. Einblicke in seinen Pragmatismus gab er auch an anderen Stellen seiner ersten Pressekonferenz: „Erfolgreiche Wahlkampfpolitik“, sagte er, „ist die Kunst des Möglichen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“