Bidens Präsidentschaftskandidatur: Zähneklappern ohne Strategie
Der Druck auf Joe Biden wächst, von seiner Kandidatur zurückzutreten. So beschädigt wie er so kurz vor einer Wahl war bislang kein Kandidat.
E s ist ein Spruch, der in allen US-Wahlkämpfen der vergangenen Jahrzehnte immer wieder zu hören war: „Das ist die wichtigste Wahl unseres Lebens“ – „the most important election of our lifetime“. Im Unterschied zu früher stimmt er in diesem Jahr.
Donald Trumps Partei hat mit den Republikaner*innen aus den Zeiten von Reagan und den Bushs nichts mehr zu tun. Auch deren Präsidentschaften waren katastrophal – aber sie waren kein Startschuss für Rechtsradikale weltweit, zum Endkampf gegen die Demokratie anzusetzen. Trump 2 wäre genau das.
Und genau in diese Wahlen gehen die US-Demokrat*innen schwächer denn je. Seit der verheerenden TV-Debatte zwischen Joe Biden und Donald Trump sind die schon lange bestehenden Zweifel daran, dass Biden die Wahl gewinnen und dann auch noch regieren kann, ins Unermessliche gewachsen.
Millionen von Zuschauer*innen fühlten sich an die eigenen Erfahrungen mit in die Verwirrung abgleitenden Eltern oder Großeltern erinnert. Jeder Auftritt des US-Präsidenten, kürzlich seine Pressekonferenz zum Abschluss des Nato-Gipfels in Washington, wird mit angstvollem Zähneklappern begleitet. Fernsehsender lassen die Auftritte nicht von Expert*innen in Außen- und Sicherheitspolitik kommentieren, sondern von Neurolog*innen und sonstigen Mediziner*innen.
Kein Grund für Ausstiegsszenarien
Aus dem Lager der Demokratischen Partei kommen jeden Tag neue Kongressabgeordnete und Spender*innen hinzu, die von Biden fordern, auf die Kandidatur zu verzichten. So beschädigt wie Biden vier Monate vor der Wahl sind sonst nicht einmal Kandidat*innen nach grausamen Vorwahlschlachten.
Der Präsident hingegen versichert ein ums andere Mal, im Rennen zu bleiben – und wenn er bei einem Auftritt lediglich ein paar Namen verwechselt, sei alles so gut gelaufen, dass es keinen Grund gebe, noch über Ausstiegsszenarien nachzudenken. Dabei läuft die Zeit den Demokrat*innen davon. Donald Trump hingegen hält sich zurück. In den Tagen seit der TV-Debatte hat Trump die Öffentlichkeit gemieden und die Selbstzerlegung der gegnerischen Seite samt liberaler Medien still genossen.
In der kommenden Woche allerdings wird sich das ändern: Am Montag beginnt der republikanische Parteitag, Es ist bezeichnend für diesen Wahlkampf, dass die damit verbundene TV-Zeit, normalerweise von der gegnerischen Seite missgünstig beneidet, diesmal als eine Chance gesehen wird. Trump ist ohnehin das wichtigste Wahlkampfargument der Demokrat*innen: Gut, dass mal wieder über ihn berichtet wird. Durchatmen. Aber eine erfolgversprechende Strategie für den November ist das nicht.
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